Die Geschichte von Timmy Putzeys

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Am 12. März fiel der damals 35-järige Timmy Putzens von einem Baum und damit änderte sich sein Leben dramatisch. Er wurde mit einer Rückenverletzung gefunden, genauer gesagt mit einer Verletzung am ersten unteren Rückenwirbel. Eine Operation war notwendig. Er selbst schätzte es damals wie folgt ein: “Ich bleibe eine Woche im Krankenhaus und im September bin ich wieder der Alte und kann ich wieder arbeiten”. Aber leider verlief alles anders.

Als Timmy und seine Frau im Mai zur Nachuntersuchung zum Arzt gingen stellte dieser fest, dass Timmys linkes Bein dünner als sein rechtes Bein war. Bei einer zweiten Nachuntersuchung im Juli stellte sich heraus, dass Tommys linker Arm dünner als sein rechter Arm war. Selbst schreibt er darüber: “Zuerst fing mein linkes Bein an zu schleifen und so etwa zwei Monate nach dem Unfall war auch mein linker Arm betroffen. Ich fing an, immer wenig zu essen und fiel beträchtlich ab. Bei der Kommunion unserer Tochter stellte meine Frau fest, dass ich auch beim Sprechen mehr Mühe hatte, ein bisschen mit doppelter Zunge. Dann wurde ich von einem Arzt zum anderen und von einer Untersuchung zur nächsten geschickt. Schließlich landete ich bei einem Neurologen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Dort wurde mir nach zehn Tagen mitgeteilt, dass ich ALS in bulbärer Form hatte, und von dem, was ich darüber erfuhr, brach meine Welt zusammen. Als junger Vater mit einer 7-jährigen Tochter und zusammen erst gerade ein Haus gebaut… man kann raten, was mir alles durch den Kopf ging!

Im September gingen wir dann für eine zweite Meinung nach Gasthuisberg in Leuven und erhielten dort das gleiche Verdikt, aber dieses Mal war Timmy auf die Diagnose vorbereitet. Er hoffte, dass die Krankheit stabil sein würde, aber er sein Zustand verschlechterte sich rasant. Er konnte nicht mehr essen und nahm enorm ab. Die Wahl für eine PEG-Sonde war unvermeidlich geworden und Timmy ging wieder zurück nach Gasthuisberg, eine Woche war ursprünglich geplant. Aber aus dieser einen Woche wurden drei, weil die Ärzte ungesehene Probleme mit der Sonde hatten. Durch ein geplatztes Magengeschwür kam Timmy sogar auf die Intensivstation. Er fing an zu kämpfen und schreibt jetzt darüber: “Doch noch guten Mutes, dass ich es durchstehen werde. Froh, dass ich wieder zu Hause bei Frau und Kind sein kann.” Seine Frau Rosita war täglich nach ihrer Arbeit nach Gasthuisberg gekommen und seine Tochter wurde drei Wochen lang bei Familie untergebracht. Das waren harte Zeiten für die Familie Putzeys.

Weihnachten und Neujahr waren schöne Zeiten voller Intimität und mit großer Hoffnung auf ein Jahr ohne Krankenhausaufenthalt. Weil sie schlecht funktionierte, musste die PEG-Sonde in Leuven entfernt werden, worauf wieder eine kurze, relativ gute Zeit folgte. Timmy konnte wegen der körperlichen Belastung (Speichel und Schleim) nicht mehr schlafen, und musste wieder nach Leuven ins Schlaflabor, wo er sich auch einer mechanischen Ventilation unterziehen musste. Nach einer Woche durfte er mit einer Maschine die ihm half den dringend notwendigen Schlaf einzuholen, wieder nach Hause zurückkehren. Timmy beschreibt die ruhigen Tage wie folgt: “Mittags schlief ich ein bis zwei Stunden und danach waren meine Tochter und ich gemütlich zusammen, Hausaufgaben machen und noch schnell das Essen für Mama kochen. Ich versuchte auch mit zu Essen.” Aber das wurde wieder ganz schwierig, Timmy musste schrecklich husten und die Lust am Essen verging ihm wieder ganz und gar. Weil er seinen Speichel nicht mehr schlucken konnte, fing die Krankheit dann an seinen Hals anzugreifen, und nach drei Monaten musste er wieder zurück ins Schlaflabor, wo man eine Lösung für sein Problem suchte. Die Lösung wurde von seiner Frau und Schwester angelernt, wobei sie Druck auf seine Brust ausübten, wodurch die Schleime nach oben verschoben wurden. Selbst bekam Timmy auch eine Übung mit einem Ballon in Leuven angelernt. Aber jetzt verlief alles extrem schwierig, weil die Entspannungsübungen nicht funktionierten und Timmy blaue Flecken bekam und seine Brust zu schmerzen anfing. Timmys Frau und Schwester schafften es nicht sowohl tagsüber als auch nachts die Schleime hochzudrücken und diese Krise brachte Timmy zurück ins Schlaflabor.

Im Schlaflabor wurde er vor die Wahl gestellt: entweder mit Morphium anfangen und keine Schmerzen mehr haben, oder eine Tracheotomie ausführen lassen. Bei diesem letztgenannten Eingriff wird durch einen Einschnitt am Hals eine kleine Röhre (Trachealkanüle) in die Luftröhre eingelegt. Durch die Tracheotomie würde Timmy länger leben. Timmy schreibt darüber: “Ich bekam ein paar Tage Bedenkzeit um eine Entscheidung zu treffen. Ich entschied mich für die Tracheotomie und wurde 10 Tage lang im Krankenhaus aufgenommen. Die ersten 6 Tage waren sehr intensiv und die Familie durfte mich nur eine Stunde pro Tag besuchen. Im Zimmer war es warm und Lüften war nicht erlaubt. Aber ich wurde positiv und die Druckübungen waren vorbei.”. Zu Hause kam wieder ein neues Gerät dass die Schleime herausziehen konnte hinzu. Timmy scherzte mit den Krankenpflegern und meinte, sie hätten bestimmt Aktien bei Unternehmen die solche Geräte verkaufen.

Timmy schreibt: “Ich bin froh, dass ich diesen Eingriff ausführen ließ, ich kann nicht mehr sprechen, aber meine Frau und meine Familie verstanden mich vor dem Eingriff sowieso  schon fast nicht mehr. Die Krankheit ist nun ein wenig stabil: ich kann nicht mehr gehen und nur an der rechten Seite habe ich noch ein wenig Funktion. Die ALS Liga bietet uns viel Hilfe, so dass ich mich jetzt doch noch ein bisschen verständlich machen kann. In Leuven stehen eine Menge Leute für uns Bereit die auf jede Frage reagieren.” Die letzte Nachricht von Timmy bekommen wir direkt aus seiner eigenen Hand. Er arbeitet noch nicht so lange mit Augensteuerung die er für seine Kommunikation verwendet. Stellen Sie sich vor wie er auf seinem Bett mit seiner Apparatur kämpft und lesen Sie dann seine Nachricht: ein mutiger Mann der in der Liebe seiner Familie lebt. Ist das kein Lobsang auf das Leben, ist das kein Zeugnis einer tiefen Menschlichkeit und von großem Wert? Heißt das nicht ‘von der Liebe leben’?

Wir sind jetzt den 21. Juni 2012 ich Brief schreibe Bin froh dass ich noch jeden Tag bei meiner Frau und meinem Kind verbringen darf Ich habe auch weniger gute Tage aber ich habe viel mehr gute Tage Also tun wir so weiter wir genießen jeden Tag den wir noch zusammen erleben dürfen.

- Timmy

 

Übersetzung: Wolfgang Dekeyser

Quelle: Newsletter 157 – Juli, August, September 2012

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