Ich empfinde gar keine Angst mehr, man kann dagegen gar nichts tun

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Emmanuella Wyckmanskann dagegen gar nichts tun  
Emmanuella Wyckmans aus Maasmechelen verlor bereits 7 Familienmitglieder infolge ALS. Auch sie selbst ist Träger der Krankheit und verlor außerdem ihren Sohn bei einem Verkehrsunfall. Trotzdem ist sie positiv im Leben und engagiert sie sich weiterhin für ALS-Patienten und für die Liga. 

Wie und wann wurde bei Ihnen ALS diagnostiziert?

In 2012, ausgerechnet am Geburtstag. In erster Instanz wollte man mir gar nichts sagen, schon gar nicht am Geburtstag. Aber ich sagte daß es nicht wichtig sei, ob ein Tag früher oder später. Und ich fügte noch hinzu, daß man mir das allerschönste Geschenk machte oder nicht. Es geschah also nicht. Das wundert mir gar nicht. Schon sieben Familienmitglieder verstarben an der Krankheit. Bei vier davon war ich zugegen: meine Mama und ihre Zwillingsschwester, mein Onkel und mein Cousin.  Und dann war da noch meine Oma sowie zwei ihrer Schwestern, aber daran kann ich mich nicht erinnern, da ich 2 Jahre alt war als die Oma verstarb.  

War damals schon die Rede von ALS? 

Nein, im Falle meiner Oma wußte man gar nicht Bescheid. Aber inzwischen wissen wir woran sie starb: es handelte sich um ALS, darüber besteht gar kein Zweifel.  Die Krankheit stammt vom Deutschen Teil der Familie, meine Oma war Deutsche. Mein Papa behauptet immer daß die Deutschen unserer Familie nichts gutes gebracht haben; der Krieg und ALS. Zu unseren deutschen Familienmitgliedern haben wir gar kein Kontakt mehr und wissen also nicht ob bei denen noch Menschen an der Krankheit verstarben. 

Wie verlief die Krankheit bei Ihrer Mama? 

Bis im Alter von 76 Jahren war sie nie krank. Sie hatte plötzlich hohen Blutdruck und fing an sich komisch zu benehmen. Damals erstellte sie die gesamte Unterlagen im Rahmen der palliativen Sedierung und der Euthanasie. Zuerst wollte sich mein Papa ganz alleine  um sie kümmern, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt war dies nicht mehr möglich. Meine Schwester entschied sich dann die Papiere der palliativen Sedierung ins Krankenhaus abzugeben und dies geschah tatsächlich. Am Freitagabend wurde sie im Krankenhaus eingeliefert, am Samstagmittag fiel sie ins Koma und nur am Dienstagnacht verstarb sie.  Für mein Papa war dies eine schreckliche Erfahrung; er verabschiedete sich von ihr jeden Abend. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat er den Arzt um Euthanasie gebeten, der jedoch war damit gar nicht einverstanden. 

Sie hat also das gefragte nicht erreicht? 

Nein. Als sie noch ziemlich gut war, hat sie dem Familienarzt des öfteren gebeten : Herr Doktor, ich will Sterbehilfe, es geht nicht mehr. Damals wußte sie noch nicht, daß sie an ALS litt. Der Arzt gab immer die gleiche Antwort : es ist noch zu früh, das ist noch nicht möglich. Dann hatte sie Demenz und gelang es nicht mehr. 

Sie sind Träger der Krankheit, soll dies heißen daß sie diese effektiv bekommen? 

Laut Professor Van Damme vom UZ Leuven schon; aber nur in 5 bis 10 Jahren. Aber ich antworte lachend gegen jeden: ich werde nur krank im Alter von 90 Jahren, da ich im Moment keine Zeit habe. Und laut dem Professor ist dies die bestmögliche Einstellung. Meine Tochter möchte noch nicht getestet werden. Dies erfolgt wenn sie mit Kindern anfangen will. Falls der Test zeigt daß sie tatsächlich Träger ist, kann sie sich noch immer entscheiden um schwanger zu werden durch ivF (in-vitro-Fertilisation). Man kann dann immer eine Bitte um Embryotest auf ALS einreichen ehe es erneut in die Gebärmutter gelegt wird. Wie auch immer nachdem ich erfuhr daß ich Träger war befand ich mich einige Zeit in einem Trauerprozess: aber dann erlitt mein Sohn einen Unfall und demzufolge habe ich das Gefühl: ich brauche gar keine Angst zu haben,  wenn meine Zeit gekommen ist dann sei es so. Man kann gar nichts dagegen unternehmen, es hat kein Sinn kontinuierlich Angst zu haben. 

Arbeiten Sie noch immer? 

Nein. Seit dem Unfall meines Sohnes erhalte ich Krankengeld. Damals machte ich Nachtschichten in einer Kindertagesstätte. Der Direktor möchte nicht daß ich anfange bevor ich fertig bin. Aber ich denke daß ich nie fertig sein werde. 

Sie engagieren sich im Rahmen der gruppe ALSLiga Maasland, was tut ihr genau?

Wir organisieren jedes Jahr Aktionen damit Geld eingesammelt wird für die Forschung; denn ich hoffe natürlich daß man schnell eine Lösung findet. Für mich wird es nicht mehr klappen, aber diejenigen die nach uns kommen können womöglich davon genießen. Und falls ich erfahre daß eine Person aus der Gegend an ALS leidet, versuche ich jemanden aus dessen Bekanntenkreis anzurufen. Ich schlage dann vor vorbeizuschauen, falls sie das möchten. Wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, bringe ich eine Mappe der ALS Liga mit und erkläre kurz ihre genaue Tätigkeiten. Dann können diese Leute sich einfacher entscheiden. Es gibt jedoch noch immer Menschen die den Kontakt ablehnen. Ich weiß daß in einer naheliegenden Gemeinde eine Person an ALS verstarb, aber zur Außenwelt haben sie gesagt daß es sich um Krebs handle. Ich weiß nicht warum sie das tun, vielleicht ein wenig Schüchternheit. Und vorige Woche war ich noch bei einem ALS-Patienten zu Besuch. Ich werde versuchen ihn zu helfen. 

Haben Sie noch eine positive Nachricht für ALS-Patienten? 

Bei einigen ALS-Patienten stelle ich fest daß sie bewußt die verbleibende Zeit genießen. Das sollen sie auf jeden Fall tun,  all die kleinen Dinge genießen, an denen sie sich hochziehen können. Es bestehen Menschen die mein Engagement nicht verstehen, sowie den Kontakt zu ALS-Patienten nach all dem was wir im Familienkreis erlebten. Aber ich bewundere diese Leute, ihr Kampfgeist, all dasjenige was sie erleben und wie sie dies verarbeiten. Das zieht mich an. Ich denke dabei : ich bin noch gesund und kann noch Dinge machen. Deswegen mache ich das auch. 

Übersetzung: Eric Kisbulck

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