Jozef (Jef) Somers

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Gestatten, dass ich mich vorstelle : Jozef (Jef) Somers, geboren 1941 und verheiratet mit Marie-Claire Meesemaecker. Zusammen haben wir zwei Söhne, David und Thierry, die inzwischen außer Haus leben.

24/02/1988 Ein Arbeitstag wie sonst. Am Morgen hatte ich im Speisesaal des Krankenhauses, in dem ich arbeite, gefrühstückt. Beim Aufstehen haftete mein Fuß einfach hinter einem Tischbein, ich stürzte und mein Knöchel war ganz schwer gequetscht. Ich saß an der Quelle und bekam schnell einen sechswöchigen Gips gemessen und innerhalb von weiteren sechs Wochen durfte ich wieder an die Arbeit. Großes Ungemach empfand ich infolge des Sturzes nicht nur mein rechter Fuß verweigerte bisweilen den Dienst. Beim Kontrollbesuch an den Versicherungsarzt hatte ich ihm darauf aufmerksam gemacht, aber er lehnte es komplett ab. Laut ihm bildete ich mir das Ganze ein. Ich machte ruhig weiter und stürzte mehrmals. 

Februar 1989 Wir konnten einen geplanten Termin beim Orthopädisten regeln. Der gut benommene Mann erblickte mich in sein Kabinett und teilte mir sofort mit, dass nicht er, sondern ein Neurologe, mir weiterhelfen konnte. Schnell konnte ich mich zu ihm wenden und nach einem MMR im UZA von Antwerpen erhielt ich eine ziemlich derbe Antwort. Er erwähnte keine ALS, sondern verwies nach einem alten Kerlchen, dass gerade vor uns nach außen stolperte. Diesen Arzt habe ich nie wieder besucht. 

Juni 1989 Infolge der scheußlichen Erfahrung mit dem ersten Neurologen, konsultierte ich Dr. Strauven in unserem Krankenhaus. Er ließ mich eine EMG machen mit dem Ergebnis Null. Danach erfolgte eine Rückenmarkpunktion mit folgendem Ergebnis : du leidest nicht an MS. Er lieB mich erneut eine MMR machen im Middelheim mit diesmal folgendem Ergebnis : eine langsam sich entwickelnde spastische Paraparese. Damit wussten wir damals nicht viel mehr.

05/05/1990 An dem Tag konnte ich einen Termin vereinbaren bei Dr. Piessens, Neurologe in Mechelen. Zunächst erwähnte er eine spastische Wirbelsäulenparaparese. Seitdem schluckte ich Lioresal 1mg bis 1 Tablette pro Tag und sonst nichts. Da ich auch an Lungensarkoidose leide, bezogen die Ärzte sich darauf, was nachher widersprochen wurde. 

Am 24/01/1991 endete ich im UZA bei Prof. Martin. Er versuchte die Probleme durch einen Bandscheibenvorfall zu erklären. Er machte viele Tests, es erfolgte jedoch kein Aufschluss. Er blieb bei einer krampfhaften Querschnittslähmung. Zum hundertsten Mal erschien uns dies wie Latein. 

Am 29/04/1991 wurde im UZA eine Hautbiopsie ausgeführt die nochmals ergebnislos war. Inzwischen hatten wir fast die Hoffnung aufgegeben. Es wurde gar nichts entdeckt und es konnte demzufolge gar nichts unternommen werden. 

Im Laufe des Frühlings von 1991 habe ich, mittels der Medienbibliothek, meinen ersten Rollstuhl gekauft, ohne ihn sofort in Betrieb zu nehmen. Es war mir ein bisschen peinlich und es könnte anders gemacht werden. Etwa im gleichen Zeitraum habe ich, über die Krankenkasse, ein Gehgestell mit 4 Rädern sowie Bremsen gemietet und bin damit gut zurechtgekommen, sowohl zuhause als am Arbeitsplatz. Mittels dieses Werkzeugs habe ich mich mehrere Jahre behelfen können. Ich konnte einfach das Gehgestell im Auto hinterlegen und auf diese Weise unabhängig bewegen. Den Wagen behielt ich für größere Entfernungen. 

Sommer 1991. Wir waren in Italien in Urlaub als Marie-Claire, meine Ehefrau, zu mir sagte sag mal, hast du getrunken oder so? Ich verstehe dich fast nicht. Es war dann als ob sich meine Zunge verdoppelte, als ich sprach. Wir haben wirklich nicht viel darauf geachtet, zumindest ich nicht. Es war normalerweise noch möglich, wenn ich ruhig und ruhig sprechen konnte, aber bei Nervosität war ich so gut wie unverständlich und das hat sich bis auf heute nicht geändert. 

Am 08/02/1994 hatte ich erneut einen Termin bei Dr. Piessens, der sich plötzlich zu erinnern schien, eine Person getroffen zu haben mit den gleichen Symptomen wie ich. Er gab diese jetzt einen Namen : P.L.S. (Primäre Lateralsklerose). Jetzt hatte ich wohl einen Namen für meine Erkrankung, aber das brachte mich nicht weiter. 

Frühling 1995 Zufällig lasen wir in der regionalen Zeitung ein Artikel hinsichtlich der ALS Liga. In Boom fand ein Treffen dieses Vereins stattund da wir einen Steinwurf entfernt davon lebten, wollten wir uns schlau machen. Dort begegneten wir zum ersten Mal Prof. Robberecht. Dieser erschien uns sehr zufrieden jemanden zu begegnen mit einer verspäteten Form von ALS, denn so umschrieb er sie. Am Tage darauf haben wir einen Termin vereinbart in Leuven und am 19/05/1995 war es dann so weit. Das Resultat entsprach eigentlich nicht mehr als dasjenige was uns schon lange bekannt war. Der Arzt konnte nur dasjenige feststellen, zu dem ich nicht mehr imstande war. Ich stellte die Frage ob es keine hemmende Medikamente gab und seine Antwort lautete : nicht in Ihrem Falle. Ich bekam kein Rilutek verschrieben, da die Krankheit bei mir schon so langsam fortgeschritten war. Das wussten wir auch schon wieder. Jetzt gehe ich alle zwei bis drei Jahre auf Kontrolle in Leuven. Es hilft nicht viel, ich bekomme nur zu hören dass mein Zustand sich wieder etwas verschlechtert hat und das fühle und sehe ich selber auch. 

Inzwischen ging das normale Leben weiter aber ich gab nicht auf nur wegen eines Defektes an mir. Ich erinnere mich noch gut, dass als ich mit meinem Knöchel in einem Gipsverband saß, ich im Zimmer von Thierry eine neue Decke gesetzt habe. Im Rückblick war dies nicht wirklich verantwortlich, aber ich wollte nicht passiv beobachten. In dem Sinne habe ich noch mehrere Jobs erledigen können, sogar wenn diese immer weniger schnell und einfach verliefen. Ich bin nun einmal ein Macher. Bis vor zwei Jahren stieg ich noch eine Leiter hinauf um meine Lackierung zu Ende zu bringen. Selbstverständlich kann nicht jeder das, aber jetzt gelingt mir auch das nicht mehr. 

Bei der Arbeit verlief alles immer weniger gut und das fallen folgte immer schneller. Ich arbeitete in der Wäscherei und war zuständig für die Abgabe der sauberen Wäsche. Das hieß andauernd Karren von ungefähr 600 Kg ziehen. Im Mai 1995 hatte ich meinen Transfer zur zentralen Sterilisation arrangiert. Da konnte ich mich mit meinem Gehgestell aushelfen und hatte hauptsächlich eine sitzende Arbeit. Seit Mai 1994 arbeitete ich im Rahmen von CAO26 und damit erhielt mein Arbeitgeber eine Zwischenkunft in den Arbeitskosten von 50%. 

31/08/1999 ich hatte an meinem direkten Chef den Entschluss mitgeteilt, am 31. August 1999 mit der Arbeit aufzuhören. Schon seit längerem hatte ich das Gefühl, dass der Vorstand mich lieber nicht länger arbeiten sah. 

Trotz aller Unannehmlichkeiten der immer mehr fortschreitenden Krankheit haben wir bis jetzt das verreisen, wie wir es vorher immer gemacht haben, nicht unterlassen. Eine bessere Formulierung ist, dass wir damit erst recht angefangen haben, von dem Moment an, nachdem ich die Gehhilfe sowie den Wagen gekauft habe. Die Dinge laufen nicht so gut wie vor einigen Jahren, aber wir gehen noch immer hinaus. Hotels buchen machen wir nie im Voraus, wir sehen vor Ort. Wir fahren immer herum, heute hier und morgen dort. Wir versuchen einen Mietwagen mit Fahrer zu bekommen, sicher in Länder wie India, Iran und so viele mehr. Allmählich gehören wir zu den Weltenbummlern. Backpackern aber mit einem Rollstuhl. 

Seit ungefähr zwei Jahren habe ich ein weiteres Hobby, nämlich im Internet surfen. Früher habe ich nie gewusst, wieviel Information man hier vorfindet. Es ist eine gute und lehrreiche Tätigkeit und die Tage sind mir immer zu kurz und ich brauche nicht einmal mehr viel fernsehen.

Was ich mit den Jahren erlebt habe, ist die Unterstützung seitens ALS. Bei einem Problem, rufe ich Danny an oder schicke ihm eine Mail und in kürzester Zeit erfolgt eine Lösung, falls es diese gibt. 

 

Übersetzung: Eric Kisbulck

Quelle: Newsletter 129 – Juli, August, September 2005

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