Interview mit Liliane Helsen

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Bruni Mortier
Ein Gespräch mit Liliane ist kein gewöhnliches. Sie hört aufmerksam meine Fragen zu aber ihre Antworten muß sie aufschreiben da sie nicht mehr sprechen kann. Sie leidet an die bauchige Form von ALS mit Muskelschwäche im Bereich der Kehle/Mund.  

In Lilianes Geschichte erkenne ich das klare Muster vieler ALS-Patienten: die Krankheit wird initial nicht erkannt von den behandelnden Ärzten und die ersten Symptome wiederholen sich andauernd.

Liliane wußte lange Zeit nicht an welche Krankheit sie litt. Als sie 56 war, fing sie an zu stolpern  über die eigene Füße und zu stürzen. Der Hausarzt achtete nicht darauf aber nachdem Liliane eine Fernsehsendung gesehen hatte hinsichtlich eines ALS-Patienten der im Rahmen einer Euthanasie in die Schweiz gefahren war, erkannte sie viele ihrer Symptome in seine Geschichte.  Weil sie am Anfang ihrer Krankheit neue Zähne eingesetzt bekam suchten die Ärzte dort zuerst nach der Ursache. Ihre Halsschmerzen und seltsame Art zu sprechen wurden den neuen Zähnen zugeschrieben und der Nackenspezialist gab ihr zwanzig Vitaminspritzen.  Lilianes Ehemann fand es damals schon komisch daß alle Patienten der Tagesklinik die gleichen Spritzen bekamen. Sie haben nicht geholfen und Liliane endete beim Neurologen in Bonheiden.  Wegen ihrer zunehmenden Sprachprobleme wurde sie komplett getestet und zum  Facharzt für Nase, Hals und Ohren geschickt. Dieser verwies sie zum Zahnarzt der die Krankheit den Zähnen zuschrieb. Er schlug vor die Zähne durch Implantate zu ersetzen aber Liliane ging nicht darauf ein. Zum nächsten Arzt in diesem Fall. Ein Stimmspezialist in Leuven stellte fest daß ihre Stimmbänder gelähmt waren und es wurde zum ersten Mal ernsthaft an ALS gedacht.  Auf Prof. Robberechts Dienst fiel dann das Urteil. Es war die ALS-Form welche die oberen Atemwege  sowie alle beteiligten Muskeln angreift. 

Seit drei Wochen hat Liliane eine PEG-Sonde mit direktem Magen-Anschluß. Sie kann ja nicht mehr schlucken. Je düner die Flüßigkeit, desto schwieriger ist es sie im Mund zu behalten. Weil ihr Mund immer leicht geöffnet ist, ist er immer trocken und hat sie ständig Durst aber sie kann ihren Mund nicht mehr ausspülen, nur befeuchten mit einem Schwamm ist noch erlaubt.  Liliane meint daß sie sich seit dem Einführen der Sonde verschlechtert hat, aber es besteht keine weitere Möglichkeit. Die Erstickungsgefahr ist zu groß geworden. 

Liliane verbringt ihre Tage in einer Service-Wohnung wo sie von ihrem treuen Ehemann umsorgt wird. Damals arbeitete sie als Putzfrau und selbständige Näherin aber Hausarbeit ist ihr nicht mehr erlaubt.  Sie füllt ihre Tage mit schlafen, lesen, fernsehen und viel nachdenken. Zu meiner Frage, worüber sie nachdenkt antwortet sie daß sie sich ernsthaft Sorgen macht über den weiteren Verlauf der Krankheit und dem Tod und besonders daß das Sterben ein Prozeß ist durch den man allein muß.  Ihr großer Traum ist nochmal Lourdes zu besuchen, nicht im Rahmen eines Wunders aber einfach um da zu sein. Was ihr sehr schwer fällt, ist daß gute Freunde und sogar die eigene Kinder abbrechen wenn Sie schwer krank sind. Darum hätte sie gerne andere ALS-Patienten begegnet die vor den gleichen Problemen stehen und die die gleichen Gefühle kennen. Sie bittet mich zweimal zu erwähnen daß jeder jeden Tag so viel wie möglich genießen sollte, auch die kleinsten Dinge.

 
Übersetzung: Eric Kisbulck
Quelle: Newsletter 145 – Juli, August, September

 

Bron: Nieuwsbrief 145 – juli, augustus, september 2009

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