Forschungsbericht 2017

21-02-2018

2017: Schritte auf dem Weg zur Behandlung von ALS.
Im vergangenen Jahr, wie in allen anderen Jahren, wurden etwa 200 Menschen in Belgien mit der Diagnose ALS konfrontiert. Es ist eine schwerwiegende Diagnose, die das Leben des Patienten und die unmittelbare Umgebung radikal verändert. Denn letztendlich führt die Beeinträchtigung der Funktion der motorischen Nervenzellen zu einem Kraftverlust mit zunehmender Hilfsabhängigkeit. Auch die Muskeln, die für das Atmen, Husten oder Schlucken verantwortlich sind, können betroffen sein, was die Lebenserwartung stark reduziert. Leider gibt es keine adäquate Behandlung für diese Krankheit. Riluzol ist das einzige registrierte Medikament gegen ALS in Europa, aber dies hat nur eine lebensverlängernde Wirkung von einigen Monaten. Auch die Unterstützung der Atmungsfunktion kann eine lebensverlängernde Wirkung haben, beeinflusst aber nicht den Prozess des Absterbens von motorischen Nervenzellen. Es besteht also ein dringender Bedarf an besseren Behandlungen.
ALS, eine komplexe Krankheit!
ALS ist eine sehr komplexe Krankheit, von der wir noch viel zu wenig wissen. Das macht die Entwicklung neuer Behandlungen besonders schwierig. Dank nachhaltiger Forschung hat das Wissen über die Ursachen und Krankheitsmechanismen von ALS in den letzten Jahren stark zugenommen. Wir kennen jetzt mehrere genetische Faktoren die bei ALS eine wichtige Rolle spielen und auftreten in einigen biologischen Netzwerken die bei ALS gestört sind. Das wichtigste verklumpende Protein in den motorischen Nervenzellen von ALS-Patienten wurde ebenfalls identifiziert: TDP-43. Wie wir jedoch eingreifen können, um die Gesundheit der motorischen Nervenzellen zu fördern, bleibt unklar und nur weitere Forschung kann uns den Schlüssel zum Erfolg bieten. Kürzlich haben wir ein zusammenfassendes Diagramm der möglichen Krankheitsmechanismen von ALS für die Zeitschrift Nature Neuroscience Reviews erstellt (http://www.nature.com/nrn/posters/als/nrn_als_poster.pdf) und es gibt eine kurze Animation (http://www.nature.com/nrdp/animations/als-17).

Welche Fortschritte hat das Jahr 2017 gebracht?
Auch in 2017 wurden einige wichtige Schritte auf dem Weg zu einer Lösung für ALS unternommen. Auf der grundlegenden wissenschaftlichen Ebene wurden die Prozesse, die der Verklumpung von TDP-43 und anderen krankheitsverursachenden Proteinen in ALS vorausgingen, besser charakterisiert. Aber die große Herausforderung bleibt, einen guten Weg zu finden, diese Prozesse umzukehren. Aus Studien mit ALS-Patienten ist klar geworden, dass es viele verschiedene Formen von ALS gibt, manchmal mit sehr unterschiedlichen Ursachen, wofür auch spezifische Behandlungen erforderlich sind. Für 2 der häufigsten vererbten Formen von ALS wird viel erwartet von den ersten Studien mit einer Art Gentherapie ("Antisense-Oligonukleotide" oder kurz ASO), die versucht die Ursache der Krankheit anzugehen. Das Jahr 2017 wird wahrscheinlich am besten in Erinnerung bleiben als das Jahr in dem die Food and Drug Administration (FDA) das Medikament Edaravone für den Einsatz bei ALS-Patienten in den Vereinigten Staaten zugelassen hat. Diese antioxidative Behandlung muss intravenös verabreicht werden. Leider ist der Effekt auf den funktionellen Rückgang recht gering und darüber hinaus nur bei einer bestimmten Untergruppe von ALS-Patienten vorhanden. Ob Edaravone auch in Europa erlaubt wird, bleibt abzuwarten.

Die Forschung in Leuven
Auch im ALS-Zentrum in Leuven haben wir im vergangenen Jahr unser Möglichstes getan, um zum Fortschritt der ALS-Forschung beizutragen. Das ALS-Forschungsteam besteht aus mehr als 20 Mitgliedern und wird von drei Hauptforschern geleitet: Prof. Dr. Wim Robberecht, Prof. Dr. Ludo Van Den Bosch und Prof. Dr. Philip Van Damme. Dank der beachtlichen Unterstützung von Spenden, die wir durch Lolands, ein Herz für ALS und die ALS League erhalten haben, konnten wir verschiedene Studien zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Die Aktivitäten die dank diesen Einkommen unternommen werden, sind auch für den Bekanntheitsgrad der Krankheit von großem Wert, was zusätzliche Unterstützung generieren kann. Die Zusammenarbeit mit der ALS-Liga ermöglichte es beispielsweise, ein großes flämisches Forschungsstipendium zu erhalten, das das MinE-Projekt ko-finanziert (siehe unten).
Im Jahr 2017 haben wir ein besseres Verständnis der Verklumpung von Proteinen in ALS durch Mutationen im C9orf72-Gen 1 gewonnen. Wir haben festgestellt, dass in menschlichen Motoneuronen von ALS-Patienten mit einer Mutation im FUS-Gen eine frühe Störung des axonalen Transports (der Transport entlang der langen Ausläufer von Nervenzellen) auftritt 2. Wir haben auch die folgenden möglichen neuen Behandlungsstrategien untersucht: die Hemmung des Ephrinrezeptors A4 (EphA4), den Wachstumsfaktor Progranulin und die Hemmung der Histondeacetylase 6 (HDAC6) 3-5.
Die Spenden tragen auch bei zur klinischen Forschung die wir bei ALS-Patienten durchführen. Erstens haben wir einen diagnostischen Test entwickelt um eine schnellere Diagnose zu ermöglichen und um das Fortschreiten der Krankheit besser messen zu können. Dieser Test misst den Wert bestimmter Neurofilamente (Strukturproteine in den langen Ausläufern motorischer Nervenzellen) in der Zerebrospinalflüssigkeit 6-8. Das Ausmaß, in dem Neurofilamente erhöht sind, ermöglicht es auch, die Schwere der Erkrankung und das Fortschreiten der Krankheit vorherzusagen. Zweitens haben wir uns das Verteilungsmuster der Krankheit im Gehirn mittels funktioneller Bildgebung (Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomographie oder kurz FDG-PET) angesehen, bei der die Zuckeraufnahme im Gehirn gemessen wird 9. Drittens beteiligen wir uns am "Project MinE", ein internationales Großprojekt, in dem der Erbcode von 1000 ALS-Patienten untersucht wird. Dies hat bereits zur Entdeckung von zwei erbliche Risikofaktoren für ALS geführt, nämlich C21orf2 und NEK1 10, 11.

Ein Ausblick auf 2018 ...
Im Jahr 2018 wollen wir diese Forschungslinien fortsetzen. Insbesondere werden wir die erbliche Faktoren bei ALS, die Mechanismen der Motoneuronenmortalität und bessere Methoden zur Messung der Erkrankung bei Patienten weiter erforschen. Auch in der Grundlagenforschung versuchen wir, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen und verwenden wir zunehmend Krankheitsmodelle, die direkt vom Patienten abgeleitet werden. Schließlich können wir die Bindegewebszellen der Haut von Patienten in Stammzellen umprogrammieren und diese wiederum in motorische Nervenzellen, der Zelltyp der bei ALS vorzeitig stirbt, umwandeln. Wir nutzen diese Zellen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und neue Behandlungen zu testen.
Es versteht sich von selbst, dass die Kosten für diese Art von Forschung hoch sind. ALS ist auch eine ziemlich seltene Erkrankung, so dass es nicht immer einfach ist, Forschungsressourcen zu erhalten. Die Einnahmen aus allen Arten von Sammelaktionen sind daher von größter Bedeutung, um die Forschung fortzusetzen und einer Lösung für ALS Schritt für Schritt näher zu kommen! Wir möchten uns bei jedem einzelnen von Ihnen für die kontinuierliche Unterstützung für ALS bedanken. Alle Initiativen sind sehr wichtig, um die Krankheit weiterhin ins Rampenlicht zu rücken und die Forschung finanziell zu unterstützen.

 
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Laeversfonds KU Leuven (https://www.kuleuven.be/mecenaat/fondsen/geneeskunde/laeversfonds-voor-a...)
Een hart voor ALS, fonds KU Leuven (https://www.kuleuven.be/mecenaat/fondsen/geneeskunde/fonds-een-hart-voor...)
ALS Liga (A Cure for ALS)
 
 
Referenzen
1.            Boeynaems S, Bogaert E, Kovacs D, et al. Phase Separation of C9orf72 Dipeptide Repeats Perturbs Stress Granule Dynamics. Molecular cell 2017; 65(6): 1044-55 e5.
2.            Guo W, Naujock M, Fumagalli L, et al. HDAC6 inhibition reverses axonal transport defects in motor neurons derived from FUS-ALS patients. Nature communications 2017; 8(1): 861.
3.            Schoonaert L, Rue L, Roucourt B, et al. Identification and characterization of Nanobodies targeting the EphA4 receptor. J Biol Chem 2017; 292(27): 11452-65.
4.            Beel S, Moisse M, Damme M, et al. Progranulin functions as a cathepsin D chaperone to stimulate axonal outgrowth in vivo. Hum Mol Genet 2017; 26(15): 2850-63.
5.            Van Helleputte L, Kater M, Cook DP, et al. Inhibition of histone deacetylase 6 (HDAC6) protects against vincristine-induced peripheral neuropathies and inhibits tumor growth. Neurobiol Dis 2017; 111: 59-69.
6.            Poesen K, De Schaepdryver M, Stubendorff B, et al. Neurofilament markers for ALS correlate with extent of upper and lower motor neuron disease. Neurology 2017; 88(24): 2302-9.
7.            De Schaepdryver M, Jeromin A, Gille B, et al. Comparison of elevated phosphorylated neurofilament heavy chains in serum and cerebrospinal fluid of patients with amyotrophic lateral sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2017.
8.            Feneberg E, Oeckl P, Steinacker P, et al. Multicenter evaluation of neurofilaments in early symptom onset amyotrophic lateral sclerosis. Neurology 2018; 90(1): e22-e30.
9.            van Weehaeghe D, Ceccarini J, Willekens SM, de Vocht J, van Damme P, van Laere K. Is there a glucose metabolic signature of spreading TDP-43 pathology in Amyotrophic Lateral Sclerosis? The quarterly journal of nuclear medicine and molecular imaging : official publication of the Italian Association of Nuclear Medicine 2017.
10.          van Rheenen W, Shatunov A, Dekker AM, et al. Genome-wide association analyses identify new risk variants and the genetic architecture of amyotrophic lateral sclerosis. Nat Genet 2016; 48(9): 1043-8.
11.          Kenna KP, van Doormaal PT, Dekker AM, et al. NEK1 variants confer susceptibility to amyotrophic lateral sclerosis. Nat Genet 2016; 48(9): 1037-42.

Übersetzung: Marijke Praet
 

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