Vielversprechende neue Erkenntnisse in ALS

15-07-2016

VIB-Forschung stellt einen neuen Schritt zum besseren Verständnis neurodegenerativer Erkrankungen dar

Die von der VIB-KU Leuven durchgeführte Forschung zur amyotrophen Lateralsklerose (ALS) hat zu interessanten und unerwarteten Ergebnissen geführt. Als Wissenschaftler die Relevanz der höheren Expression des IP3R2-Proteins im Blut von ALS-Patienten untersuchten, war die allgemeine Erwartung, dass eine Senkung der Expression dieses Proteins eine schützende Wirkung auf die betroffenen Motoneuronen haben würde. Das Gegenteil stellte sich jedoch heraus: IP3R2 erwies sich als Schutzfaktor gegen die negativen Auswirkungen einer Entzündung bei ALS. Darüber hinaus könnte der gleiche Mechanismus auch für andere Krankheiten wie Schlaganfälle und Multiple Sklerose gelten.

Die Forschung wurde am VIB-Labor für Neurobiologie unter der Leitung der Professoren Ludo Van Den Bosch und Wim Robberecht (VIB-KU Leuven) durchgeführt. Weitere beteiligte Labore waren Adrian Listons Translational Immunology Laboratory (VIB-KU Leuven), das Inflammation Research Center (VIB-Vrije Universiteit Brussel) von Jo Van Ginderachter, die UZ Leuven und das Brain Sciences Institute RIKEN in Japan. Die bemerkenswerten Schlussfolgerungen der Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift  Human Molecular Genetics veröffentlicht.

Schutzrezeptor

ALS ist eine tödliche und noch unheilbare neurodegenerative Erkrankung, die durch den fortschreitenden Verlust von Motoneuronen und die Denervierung von Muskelfasern verursacht wird. Dies führt zu Muskelschwäche und Lähmung. In Europa werden jedes Jahr 2,7 von 100.000 Menschen mit ALS diagnostiziert. Etwa 10% der Fälle sind erblich, und 20% davon werden verursacht durch Mutationen im Gen das für Superoxiddismutase 1 (SOD1) kodiert. Für diese Art von ALS wurden Mausmodelle entwickelt die in diesem VIB-Forschungsprojekt zum Einsatz kamen.

Prof. Ludo Van Den Bosch (VIB-KU Leuven): "Im Blut sporadischer ALS-Patienten und in Modellen von chronischer und akuter Neurodegeneration finden wir eine signifikant höhere Expression des intrazellulären Rezeptors IP3R2. Als wir das Gen entfernten, das für IP3R2 kodiert, starben die Mäuse nicht nur schneller, sondern wir beobachteten auch eine systematische Entzündung und eine erhöhte Expression bestimmter Zytokine - Proteine, die eine wichtige Rolle im Immunsystem spielen. Folglich kamen wir zu der Schlussfolgerung, dass die umgekehrte Wirkung, d.h. die Erhöhung der Menge an IP3R2, eine Schutzreaktion ist, und dies nicht nur bei ALS, sondern auch bei anderen neurogenerativen Erkrankungen. "

Eine unerwartete Wendung

Das Forschungsprojekt ist ein Paradebeispiel für exzellente wissenschaftliche Forschung: Die Ergebnisse stimmen nicht überein mit einer vorgegebenen Hypothese.  Obwohl die Wissenschaftler erwarteten, dass die Deaktivierung des Gens IP3R2, das für die Freisetzung von Kalzium aus intrazellulären Kalziumspeichern verantwortlich ist, einen positiven Effekt auf die Überlebenszeit von Motoneuronen haben würde, bewies die Studie das Gegenteil: Die Entfernung von IP3R2 wirkte sich negativ auf die Überlebenszeit des ALS-Mausmodells aus.

Prof. Ludo Van Den Bosch (VIB-KU Leuven): "Die negativen Auswirkungen der Entfernung von IP3R2 in anderen Zelltypen scheinen die potenziellen Vorteile der Entfernung von IP3R2 in Motoneuronen zu überwiegen. Im Falle unerwarteter Ergebnisse wie diesen hat ein Forscher zwei Möglichkeiten: das Projekt zu stoppen oder das Problem weiter zu untersuchen.  Die letztgenannte Strategie ist anspruchsvoller, da das Ergebnis ungewiss ist. In diesem Fall lieferte es jedoch interessante neue Erkenntnisse, die durch unsere Daten unterstützt werden."

Die nächsten Schritte

Das VIB-Labor ist derzeit an einer neuen ALS-Studie beteiligt, in Zusammenarbeit mit dem Stem Cell Institute Leuven (SCIL) und unterstützt von der belgischen ALS-Liga.  Die Forschung konzentriert sich auf verschiedene Zelltypen die aus Hautfibroblasten von ALS-Patienten stammen, und die Wissenschaftler suchen nach Anomalien im Kalziumstoffwechsel der Patienten. Die Erforschung der Rolle von IP3R2 kann als wichtiges Grundelement dienen, da sie der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein besseres Verständnis der Mechanismen die Motoneuronen schützen können, vermittelt.

Prof. Ludo Van Den Bosch (VIB-KU Leuven): "Wir haben nun gezeigt, dass bestimmte Aspekte der Entzündung eine wichtige Rolle bei der Erkrankung spielen können und das kann letztendlich zu neuen Therapiemöglichkeiten für Patienten führen.  Wenn wir jedoch eine echte Lösung für ALS finden wollen, müssen wir ein vollständiges Verständnis der Krankheit auf zellulärer Ebene erlangen. Unsere Studie ist, wie ähnliche Studien, ein Teil dieses komplexen Puzzles, das vollständig zusammenpassen muss, bevor wir eine erfolgreiche Therapie entwickeln können."

 

Übersetzung: Marijke Praet

Quelle : VIB

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