ALS Patient besiegt Vulkan in Nicaragua
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Das Abenteuer ist nicht seltsam in den Augen von ALS Patient Antonio Ventriglia. Voriges Jahr hat er den Rekord Marathon/im Rollstuhl schieben zusammen mit dem Marathonläufer Ronny de Cocker mehrmals gebrochen. Jetzt ist er gerade von einer Abenteuer-Gruppenreise nach Nicaragua zurückgekehrt, wo sie der wilden Natur trotzen, um den Cerro Negro-Vulkan zu besteigen. Er ist ein tapferer, heiterer Mann der trotz der lebensbedrohenden Diagnose die Gefahr nicht aus dem Wege geht, gerne auf Abenteuer geht und darüber mit viel Spaß erzählt.
Wie entstand die Idee eine so weite Reise anzutreten?
Es ging mir schon länger durch den Kopf. Trotz ALS möchte ich so viele Dinge wie möglich machen und vom Leben genießen, jetzt wo ich dazu die Gelegenheit habe. Ich endete auf der Webseite U/TURN (Reiseunternehmen) durch Freunde in der ALS Liga und so hat der Ball angefangen zu rollen. Zuerst trat ich weniger weite Reisen an, wie ins Atlasgebirge in Marokko und nach Tenerife zusammen mit der Familie. Das war nicht immer einfach, aber man lernt daraus. Und je schwerer desto besser für mich. Immer wieder begegnet und überwindet man Herausforderungen. Reisen wie Tenerife sind ruhiger, und mehr zum Genuss bestimmt. Diese Reise war ein großer Spaß, weil man es mit der Familie macht, es ist jedoch keine Herausforderung. Dir selbst begegnen und meine Diagnose “überwinden” ist der wichtigste Grund weshalb ich solche schwere Reisen antrete.
Wie viele waren Sie?
Insgesamt waren wir 22, fünf davon saßen im Rollstuhl. Sechs behinderte die einen Schlaganfall oder einen Myokardinfarkt erlitten hatten, konnten noch gut gehen. Ich litt als einziger an ALS. Darüber hinaus gab es zwei Krankenschwestern, einen Physiotherapeuten, einen Arzt sowie vier oder fünf Freiwillige. Die Reisen sind ziemlich kostspielig weil wir so gut begleitet werden. Zum Glück zahlt die Krankenkasse einen Teil zurück.
Erzählen Sie uns von der Reise.
Einer der Mitreisenden/Reiseveranstalter Sven begleitete mich. Er ist sehr sehbehindert und sieht nur noch Schatten. Ich vertrat seine Augen und er meine Beine; er stieß mein Rollstuhl vor. Ich erzählte ihm wo wir hingehen mussten. Das liegt nicht immer auf der Hand da man u.a. durch den Dschungel fährt sowie auf Wege voller Vulkangesteine. Auch während Abfahrten sollte man sich gut abstimmen. Zum Glück verstanden wir uns sehr gut, trotz dass ich ihn nie zuvor begegnet war. Beim Erblicken eines Baumes und als ich pinkeln musste, bat ich ihn mich hochzuheben und zu bewegen. Zusammen haben wir viele Abenteuer erlebt. Ich habe immer noch einen guten Kontakt zu ihm, ein Freund für das Leben. Bei U/TURN findet man viele Freunde. Ich habe auch noch Kontakt zu Leuten aus meinen vorherigen Reisen und man begegnet sich dort. Ich habe jemanden kennengelernt aus meiner unmittelbaren Umgebung, nämlich Dilsen-Stokkem. Eine atemberaubende Frau, eine Freundin für das Leben.
Eine solche Reise bedeutet für dich und alle um dich herum ein ganzes Unternehmen. Wie plant man das ein?
Die Vorbereitung ist nicht offensichtlich, da ich anderthalbe bis zwei Wochen weg Bien von daheim. Meine Ehefrau und ich wissen Bescheid, dass dies mir sehr schwer fallen wird: ich könnte stürzen und viel Energie verlieren. Ich habe einige Kilos verloren. Das ist logisch, denn man schläft und isst dort schlecht. Zuhause aß ich sehr gut. Morgens bestand das Frühstück aus Bohnen und Eier, Mittags Reis mit Banane und abends Reis mit Hähnchen. Als man mir auf dem Rückflug eine Auswahl vorschlug zwischen vegetarische Pasta und Hähnchen auf den Matten geschoben mit Reis hatte ich mich rasch entschieden!
Ich bin es nicht gewohnt in einem Zelt zu schlafen. Zuhause habe ich ein gutes, angepasstes Bett und ertrage es nicht sehr gut allzu wenig zu schlafen. Außerdem brach mir der Rücken während des Ski Laufens. Und sicher in Nicaragua war dies schwierig, da ich auf dem Rücken in einem Zelt schlafen musste. Ich hatte zwei spezielle Matten dabei, das half jedoch nur wenig. Ich erlitt demzufolge eine Schalfapnoe. Eine solche Reise ist wirklich eine Rückkehr zu den basics, trotz einiger Nächte in einem Hostel. Die Toilette bestand aus einem Gartenstuhl mit einem Loch in der Mitte und einem Toiletten Sitz drauf in ein abgelegenes Stück Natur. Dort saß ich dann eine Viertelstunde drauf, wenn man mich nicht vergaß, ich saß bereits eine halbe Stunde drauf! Zum Glück hatte ich oft eine angenehme Aussicht. Dort wurde ich auch nackt gewaschen: ich wurde aus dem Zelt auf den Matten geschoben und auf dem Rollstuhl gewaschen. Es klingt alles schlimm aber im Grunde genommen war dies normal und selbstverständlich. Meine ALS wurde berücksichtigt aber ich wurde nicht an der Hand gehalten.
Ich wache immer früh auf, auch hier in Belgien. Aber in Nicaragua musste ich rufen bis jemand mich holte. Manchmal blieb ich liegen. Das essen geschah ebenfalls nicht am Tisch. Ich aß einfach mit den Händen. Ich hatte ein angepasstes Besteck dabei aber es blieb schwierig. Aber trotz oder vielleicht dank aller dieser Dinge habe ich heftig genossen. Von daher meine Rückkehr. Es sind fan-tas-tische Reisen. Jeden Tag schaue ich mich die Bilder an und habe Gänsehaut wenn ich daran zurückdenke. Jeder der begleitet, behauptet dass es sich um eine unvergessliche Erfahrung handelt.
Was hast du als wichtigstes daraus gelernt?
Geistig habe ich vieles gelernt. Ich habe realisiert, dass mir noch vieles erlaubt ist, selbst mit ALS und im Rollstuhl. Bei der Feststellung was andere Leute nicht mehr können und ich dagegen schon, bin ich sehr dankbar. Ich habe ebenfalls viel dazu gelernt was die eigene Ausdauer betrifft, sowie diejenige anderer Menschen. Es befand sich eine junge Frau in unserer Gruppe und ganz ehrlich hatte ich Zweifel darüber, ob sie die Reise überstehen würde. Sie hat alles dafür getan und die Spitze erreicht. Man lernt seine eigenen Grenzen kennen und sie zugleich überschreiten. U/TURN heißt in meinen Augen Grenzen überschreiten, trotz der Diagnose.
Die Unterstützung seitens Familie und Freunde : hast du diese dann und vorhin auch erfahren? Denn ich glaube gern dass es nicht offensichtlich ist um dich zwei Wochen in die ferne Wildnis zu begeben.
Ich habe ihre Unterstützung sehr schwer gefühlt. Meine Familie steht zu 150 % hinter mir. Sie sagen mir wohl oft um vorsichtig zu sein und Ausschau zu halten, aber dies ist eine gesunde Besorgnis. Sie wissen dass ich dort in sicheren Händen bin. Ich bin immer aufmerksam, auch weil ich in der Vergangenheit mir den Rücken gebrochen habe, auch wenn es ist um meine besorgte Ehefrau zu retten.
Die Organisation besteht aus kompetenten Leuten mit einer umfangreichen Erfahrung im Bereich des Begleitens von behinderten, sie können nichts falsch machen. Falls etwas vorfallen sollte, sind sie sofort da und wissen wie man damit umgehen soll. Sie fragen stets mitzuteilen wenn etwas weh tut aber ansonsten tun sie so als ob das ganze natürlich ist.
Diese Einstellung hilft sehr viel um dich davon zu überzeugen : “ich schaffe das schon”, da wo ich in Belgien mehr Angst haben oder einfach nicht daran denken würde, so etwas zu unternehmen. Dort, mit Hilfe eines angepassten Rollstuhls (dickere Reifen) sowie der Beteiligung aller, stellte ich fest dass mir bestimmte Sachen gelangen. Als wir in Urlaub in Tenerife waren holte U/TURN uns für einen Tag ab. Wir begaben uns in den Bergen und der Begleiter ging auch mit mir im Meer. Einfach mitgenommen und schwimmen gegangen.
Wenn deine Familie Bescheid weiß, dass du in sicheren Händen bist, ist es einfach um dich “ab zu geben”. Ich hatte nur wenige Gelegenheiten sie zu kontaktieren. Ich habe mein Abonnement mit 10 Euro übertroffen aber manchmal dauerte es drei bis vier Tagen bis sie eine Nachricht von mir erhielten. Ja, du reist wahrhaftig durch den Dschungel, durch die Mangroven, auf Booten. Dort gibt es nicht viel Empfang.
Du kannst auch deine eigene Begleitung mitnehmen, wie die Familie oder einen persönlichen Arzt. Aber meine Ehefrau würde mich niemals begleiten. Sie hat zu viel Angst vor Spinnen!
Wie verlief die Hinreise ?
Erst flogen wir dreizehn Stunden bis nach Atlanta (USA) und von daraus weiter bis nach Managua, Nicaragua. Eine solche Flugreise benötigt eine umfangreiche Organisation. Ich hatte ein Katheter dabei im Flugzeug da ich dort nicht zur Toilette gehen konnte. Du kannst auch spezialisierte Unterstützung im Flughafen erhalten aber diese habe ich nicht beansprucht. Einige Teile habe ich sogar vollendet durch das halten an den Sesseln.
In Nicaragua wurden wir von einem chicken bus abgeholt. Dies ist etwas ganz besonderes. Ein chicken bus ist ein kleiner Autobus der überall anhält wo Menschen einsteigen möchten, es bestehen keine feste Haltestellen. Sie gleichen hell bemalte amerikanische Schulbusse, die die meisten Nicaraguaner als öffentlichen Verkehr beanspruchen. Du kannst dir wohl vorstellen dass es mir besonders schwerfällt darin im Rollstuhl zu reisen. Ich hielt mich an den Sitzen während der klapprige Bus blitzschnell auf schlechten Straßen fuhr. So erreichten wir unser erstes Ziel. Da saß ich dann, hielt mich an den Sitzen zwischen Schweine, Hähne und was nicht alles.
Was weißt du von dem Transit?
Die Reise war ein Transit zum Vulkan, aber wir haben ebenfalls Kajak gefahren durch die Mangroven, Abfahrten und Bootausflüge unternommen. Du begegnest Probleme, aber man hilft dir, du erlebst so viele Abenteuer... Es ist gerade unbeschreiblich. Sobald du oben warst, konntest du auch nach unten Sandboarden. Leider war mir dies mit meinem Rücken nicht erlaubt, aber ohne diese Probleme wäre ich als erster dabei gewesen. Ich war sicher begeistert.
Trotz aller Schwierigkeiten war der beste Moment der ganzen Reise die Ankunft, wissen dass man es geschafft hat. Man bekommt ein Zeugnis dass man die Spitze erreicht hat. Es handelt sich nur um ein Stück Papier, aber das Gefühl, dass man bekommt ist unbeschreiblich. Du weißt dass du Grenzen überschritten hast. Sogar für diejenige die nur gehen können erweist sich eine solche Reise als schwer. Und ich selbst, der an ALS leide, habe es im Rollstuhl geschafft. Ich erinnere mich daran mit einem Gefühl der Gänsehaut. (Kleiner Film)
Welche Probleme hast du im Laufe der Reise erfahren?
Es gab kein spezifisches Ereignis, aber der Schlafmangel war zermürbend. Jeden Morgen war ich völlig erschöpft und musste mich wirklich ermutigen, komm schon, noch ein Tag dazu. Dies war bestimmt am Anfang so. Nach einer Weile gewöhnt man sich daran: du weißt immer mehr was zu erwarten ist, du bekommst auch immer mehr Kraft. Jedoch einfach war es nicht. Schon gar nicht mit den Temperaturen, während des Tages mehr als 35 Grad. Meditieren mit positiven Gedanken hat mir geholfen. Du siehst das ganze mehr in Perspektive, auch hier in Belgien. Dort sollst du dir auch keine tagtäglichen Gedanken machen und hast kein Stress (außer den physischen) und die Medikamente wurden gut verabreicht.
Hast du auch bestimmte unerwartete Probleme gekannt?
Fysisch gesprochen keine, ich wusste, dass es schwierig werden würde, hatte mich jedoch prima vorbereitet und wusste dass es Menschen gab die mir helfen würden falls es nicht klappen würde. Es galt jeden Tag erneut neue Hindernisse zu überwinden aber das hat mich nur stärker gemacht. Ich erstickte z.B. mehrmals beim Essen. Zwei mitgereiste Arzte untersuchten regelmäßig die Lungen um zu sehen, ob alles noch sauber war. Und am Anfang war die Hitze (während des Tages 38 Grad) fast unerträglich. Aber nach einigen Tagen wurde alles einfacher: du gewöhnst dich immer mehr an die Umgebung, du wirst stärker...das kann alles besiegt werden.
Geistig gab es den Kulturschock. Die dort vorherrschende umfangreiche Armut. Sie leben von demjenigen, dass wir in Belgien wegwerfen. Schuhe die wir bereits längst weggeschmissen hatten bedeuten für sie Luxusartikel. Des Öfteren habe ich einige Dollar ausgeteilt. Ich nahm einen ganzen Koffer mit und kehrte mit einem halben zurück, so viel habe ich verschenkt. Wir duschten mit warmem Wasser dass gerade aus dem Duschekopf kam; sie mussten Dutzende Kilometer hinterlegen um eiskaltes, schmutziges Wasser zu holen um zu duschen. Jetzt wo ich wieder in Belgien bin, bin ich viel wacher damit ich nicht zu viel verschwende.
Wie planst du die kommende Reisen ein?
Ich habe mich bereits registriert für den bevorstehenden Ausflug nach Nicaragua. Dies geschah sofort nach meiner Rückkehr da die Reisen ab sofort vollgebucht sind. Wegen meiner fortschreitenden Krankheit jedoch besteht keine Sicherheit ob ich im kommenden Jahr in der Lage sein werde mitzugehen. Deswegen hat U/TURN mich gebeten zuallererst die medizinische Dokumente regelmäßig zu senden, damit sie beurteilen können ob eine Begleitung möglich ist. Des weiteren fordern sie an womöglich selbst Hilfe zu leisten, in Form von Familie oder Arzt/Krankenschwester. Ich verfüge über einige Optionen, aber möchte erst erleben wie das ganze verläuft. Hier oben (er zeigt auf die Gehirnschale) ist alles in Ordnung, aber der Körper will nicht kommen. Das Schicksal will dass ich mir auch den Rücken gebrochen habe. Ich bin demzufolge optimistisch vorsichtig.
Die nächste Reise führt mich mit meiner Familie nach Tenerife. Dort werde ich auch den höchsten Vulkan von Europa besteigen. Ich würde ebenfalls gerne Chili sehen und mit U/TURN ein Safari in Südafrika erleben. Dies hängt jedoch ab von der Krankheitsprogression. Ich möchte Reisen mit U/TURN bestimmt empfehlen. Nach jeder Reise komme ich viel stärker zurück. Du lernst soviel daraus. Du hörst von anderen “Was zum Teufel wirst du dort machen?” aber dies ist unbeschreiblich. Ich reise nicht dorthin wegen dem Luxus.
Diejenigen mit Zweifel oder Angst rate ich: mache es einfach. Nicht mehr, nicht weniger. Du wirst sehen dass du als eine andere, stärkere Person herauskommst. Ich kann ALS haben, aber mir ist noch vieles erlaubt. Bestimmt mit U/TURN. Unvergesslich, unbeschreiblich, unbezahlbar.
Schließlich, kennst du noch eine schöne Anekdote?
Während einer meiner vorherigen Reisen, falls du nachts das Zelt nicht gut abschließt, kann es Spinnen enthalten. Einer meiner Mitreisenden Frank der leidet an Friedreichs Ataxie, hatte vergessen das Zelt gut abzuschließen. Abends baute er sein Zelt auf und ging schlafen und er musste um Hilfe rufen. Und wer half ihn dann? Sven! Das war sehr lustig. Dies sind Erfahrungen die man nur im Rahmen von U/TURN Reisen erlebt!
Übersetzung: Eric Kisbulck