Kolumne Oktober 2013

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Reisen ist für viele Menschen ein Quell der Entspannung, der Verjüngung und der Inspiration. Oft tut die Veränderung von Umgebung an sich schon gut und so muss es nicht immer einer der sonnenüberfluteten südlichen Strände sein – einige schwören auf den Abkühlungseffekt des hohen Nordens oder auf Wanderungen durch die Natur. Unlängst war ich selber auf Urlaub mit meiner Mutter, die schlecht auf den Beinen steht und mit einem Rollstuhl geschoben werden muss und ich fragte mich, wie es für ALS-Patienten sein muss, wenn sie reisen wollen. Ich denke hier vor allem an jene, die in einem Rollwagen sitzen und dann auch mit diesem Umstand konfrontiert werden, wenn sie Fernreisen machen wollen und das Flugzeug nehmen müssen. Ich selbst bin mit meiner Mutter nach Teneriffa geflogen, das war für mich ganz neu, das fliegen mit Rollstuhl und dergleichen und muss zugeben, dass es wohl einen etwas mehr beansprucht, als wenn man einfach selber einen Flug nehmen würde. Glücklicherweise ist dort, auf Flughäfen und in Flugzeugen, recht viel vorhanden für Menschen mit Behinderungen dennoch verbleibt es eine gehörige Aufgabe. Im weiteren hören wir viel Gutes über Teneriffa als Urlaubsbestimmung und dann bestimmt über die Rollstuhlfreundlichkeit an Ort und Stelle.

Als ALS-patient Flugreisen machen ist sehr wohl mit Schwierigkeiten verbunden. Für die meisten, die eine Lähmung haben und – meistens – in einem elektrischen Rollstuhl sitzen, beginnt das Problem bereits mit dem Rollstuhl selbst. Was muss damit passieren?

Der Rollstuhl ist zu groß und muss deshalb in den Frachtraum des Flugzeugs. Meistens wird dies im letzten Moment getan, kurz vor dem Einsteigen in das Flugzeug und sobald der Patient durch die Begleiter auf dem Flugplatz aus seinem Rollwagen gehoben und in seinen Sitzplatz gesetzt wird. Hierfür braucht man den sogenannten „eisernen Pfleger“, eine Art Rolltrage wodurch man jemanden vertikal hochheben kann. Der Rollwagen wird dann hinunter zum Laderaum gebracht und dort, je nach Fall, in einen Transportkäfig in den Frachtraum gestellt. Es gibt Unterschiede, je nach Flug und vor allem, je nach Größe der Maschine. Bei den oft verwendeten kleineren Maschinen, wie der Boeing 737 oder dem Airbus A340-300 befindet sich der Frachtraum an der flachen Seite, sodass die Rollstuhllehne flachgelegt oder abgenommen werden muss, um durch die kleine Ladeöffnung passen zu können. Hierbei besteht mit Sicherheit Gefahr an Beschädigungen am Rollstuhl, worüber einige Patienten bezeugen können. Bei den größeren Maschinen, die man öfters auf längeren Abstandsflügen finden kann, kann der Rollstuhl als Ganzes in den Frachtraum, was natürlich viel besser ist. Abhängig von der Fluggesellschaft wird der Rollstuhl dann auch noch mit einem Transportkäfig um Beschädigungen zu vermeiden extra geschützt.

Auch in Bezug auf Beinfreiheit, die manchmal für die Verpflegung während des Fluges nötig ist, bieten die größeren Flugzeuge mehr Möglichkeiten und Komfort. Auf den kleineren Maschinen gibt es eigentlich nur auf den ersten Sitzreihen vorn etwas mehr Beinfreiheit.

Auch entlang dem Notausgang gibt es diese Beinfreiheit, dort aber muss man in einem Notfall helfen können und kann oder darf man dann dort als ALS-Patient auch nicht sitzen. Glücklicherweise hat das Personal auf den Flügen wohl Erfahrung mit Behinderten und es wird nach bester Möglichkeit Rücksicht mit der Sitzplatzverteilung und der Bereitstellung von Hilfe (Assistenz) genommen.

Man muss wohl aufpassen, dass man frühzeitig genug zum Einchecken kommt, am besten 3 Stunden im Voraus, weil man anders in Gefahr läuft die Assistenz auf dem Flughafen nicht mehr anzutreffen, etwas was ich unlängst mit meiner Mutter in Zaventem mitmachen musste, und dann ist es doch ein arg langer Weg, um selbst mit dem Rollstuhl und dem Handgepäck den Weg zum Gate zurückzulegen.

Über die Urlaubsziele dann noch etwas mehr. Wir hören von allen Seiten viel Schönes über Teneriffa. Ich bin nun selbst dort gewesen und kann darüber bereits etwas mehr erzählen. Das Wetter ist arg sonnig und Regentage gibt es dort kaum welche, rund um den Vulkan kann man aber schon Bewölkung haben, die eigentlich bereits dort durch die Nadelwälder entsteht. Es herrscht dort ein ganz andersartiges Klima, welches sich mit dem bei uns zu Hause nicht vergleichen lässt. Es ist ein subtropisches Klima, welches also zum schwülen hin neigt und recht konstant bei Temperaturen um die 25°C bleibt und die tagsüber bis gerademal über 30°C gehen können. Man muss wohl aufpassen, denn ich spreche hier über den Süden von Teneriffa. Im Norden ist das Klima weniger günstig: Es gibt dort mehr Wind und Regen und es ist dort doch im Mittel 5°C kühler. Der Süden ist bereits in den 60er Jahren als touristisches Gebiet aufgebaut worden und das begann mit einem Belgier, Michel Huygen, der das erste Hotel baute, ein Hotel für Menschen mit Behinderungen noch dazu, Ten-Bel, das bei vielen in den Ohren bekannt klingen wird. Das Urlaubsdorf besteht noch, es ist aber im Verfall. Dort war die Umgebung vollständig an Rollstuhlbenutzer angepasst. Ich selber nahm etwas weiter entfernt Quartier, in Playa Los Americas und auch dort, muss ich zugeben, war die nötige Aufmerksamkeit für Rollstuhlfahrer vorhanden. Es gab einen öffentlichen Lift zum Strand hin und bei den meisten Passagen waren Auffahrten für Rollstuhle vorgesehen. Man darf natürlich nicht vergessen, dass Teneriffa nicht die Belgische Küste ist, nein es ist eine vulkanische Insel und eigentlich ist sie nicht sehr flach. Sehr viele Sträßchen gehen bergauf, bergab aber an den Stränden entlang gibt es wohl immer wieder eine Bucht zwischen den Felsen wo es dann sehr flach ist. Mit einem elektrischen Rollstuhl sind die meisten Auffahrten wohl zu überwinden, aber mit einem aus eigener Muskelkraft betriebenen kann dies ein Problem werden. Die meisten Hotels sind auf Rollstühle ausgerichtet aber manchmal merkt man hie und da, dass eine bestimmte Zugangsauffahrt doch ein wenig zu steil angelegt wurde, oder unbeachtet der Mühe, die man sich gemacht hat, um die nötigen Anpassungen zu bewerkstelligen, nicht alles so, wie es hätte sein müssen, ganz perfekt wurde. Aber in jedem Fall ist man dort wohl Aufmerksam und gibt sich schon jede Mühe, um den – doch vielen – Touristen, die sich mit dem Rollstuhl fortbewegen, das Leben einfacher zu machen.

Gibt es, außer der Sonne und dem Strand, noch etwas mehr für ALS-Patienten auf Teneriffa zu erleben?

Es hängt auch etwas von einem selber ab natürlich, dort ist ein ganzer Sektor auf den Ozean ausgerichtet, die Delfine, die Wahlfische und andere Fische, die man auf Bootsfahrten, oder selbst unter Wasser mit einem U-Boot oder einem Boot mit einem gläsernen Boden besichtigen kann. Man kann alle mögliche Wassersportarten ausüben, zu denen man selbst noch fähig ist, so wie beispielsweise einem Duofallschirmsprung. Die andere Seite von Teneriffa ist der Vulkan, der Naturpark von Teide. Man kann dort per Bus oder im Jeep Exkursionen dorthin machen, aber man kann dort auch selber ein Auto leihen und so herumfahren. Es gibt auf Teneriffa auch spezialisierte Dienste für Menschen mit Behinderung für den Verleih von Rollwagen, Rollstuhltaxis und andere angepasste Fahrmittel. Es ist vielleicht am besten sich im Voraus zu informieren.

Dort draußen ist alles einfach sehr touristisch und wenn man sich mehr nach England statt nach Spanien hin angezogen fühlt kann man dort überall live alle Fußballspiele auf dem Café verfolgen, wo man jede Minute angesprochen wird, um bling-bling zu kaufen.

Aber wenn man die Sonne und die Wärme gerne mag und gerne Palmen und Bananenbäume sieht, dann würde ich Teneriffa sicher empfehlen. Ich denke, dass man als ALS-Patient einen recht großen Aktionsradius und Autonomie haben kann und dass man mit dem elektrischen Rollwagen sehr weit kommen kann, um schöne Wanderungen an der Küste entlang zu machen.

Reisen kann einem gut tun und das sicher wenn man ALS hat, wodurch die Reiseziele eingeschränkter sind. Alles in allem scheint mir, dass Teneriffa den Versuch wert ist. Natürlich muss ich wohl sagen, dass unsere belgische Küste hier auch nicht schlecht und flach wie ein Spiegel ist und wer Interesse an Kultur hat, ist Teneriffa nicht ein place to be. Da sind Städtereisen zu Städten, wie London, New York, L.A. oder San Fransisco bessere Optionen um zu erwägen. Aber lassen Sie sich nicht aufhalten, es ist machbar und man kann gegenwärtig Flugreisen mit dem elektrischen Rollwagen machen, aber eventuell ist es schon gut, um sich im Voraus bei der ALS Liga und bei anderen Schicksalsgenossen, die hiermit schon Erfahrung haben gut zu erkundigen.

 

Tristan Herftijd,

Sugar Mountain, Oktober 2013

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