Kris Van Reusel

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Kris, wie und wann wurde bei Dir ALS festgestellt?

Es begann am 29. November 2009 damit, dass plötzlich und ohne Grund eine Flasche La Chouffe aus meinen Händen glitt. Auf einmal bekam ich einen unerklärlichen Verlust der Kräfte. An dem Augenblick war ich mir dessen bewusst, dass ich zwei Discushernien im Nacken hatte, ich dachte also, dass diese aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen Nerv Druck ausübten oder etwas dergleichen. Ich legte darauf nicht besonders viel Wert. Es ging jedoch nicht vorbei und ein Scan stellte heraus, dass die Hernien keineswegs als Ursache nachgewiesen werden konnten. Erst später im April 2010 erfolgte die Diagnose ALS. 

Kanntest Du die Krankheit bereits? Wurdest Du ausreichend auf dem Laufenden gehalten?

Als der Name ALS letztendlich fiel, war mein erster Gedanke : schön, sie wissen endlich was mit mir los ist, jetzt kann daran gearbeitet werden. Der Arzt jedoch kam mit der ernüchternden Geschichte, dass 80 % der ALS-Patienten nur noch 3 bis 5 Jahre zu leben haben. Damals war ich 35. Eine zweite Meinung im UZ Leuven bestätigte die Diagnose. Meiner Erfahrung nach erhältst Du wohl Auskunft, aber Du sollst viele Informationen und Unterlagen selbst nachgehen. Informationen versammeln bei allen möglichen Instanzen : Krankenkassen, Behörde und nicht zu vergessen die ALS Liga selbst. Ich besitze jetzt ein persönliches Assistenzbudget. Ohne meine individuelle Nachfrage bei der ALS Liga würde diese niemals erfolgt sein.....

Das krank sein ändert Dein Leben. Wie hat dies Deine Haushaltsaufgaben, mögliche Arbeitstage, Liebhabereien beeinträchtigt? Woraus fasst Du Mut? 

9 Mal pro Woche trieb ich Sport, während eine Woche nur aus 7 Tagen besteht. Das nennt man wohl Sportaholic? Wer weiß, war dies eine zusätzliche Ursache von ALS... Allmählich habe ich aus Notwendigkeit den Sport hinter mir gelassen. Fußball, Squash und Laufen. Letzteres erst in einer späteren Entwicklungsstufe. Ich musste weitere Auslassventile suchen. Sofort nach der Diagnose habe ich eine ganze Nacht geheult wie ein kleines Kind, aber am Morgen danach habe ich gedacht : Komm schon Mann! Heute beginnt der Rest Deines Lebens! Störe Dich nicht an Sinnlosigkeiten, tue nur noch dasjenige, was Dir gefällt, und vor allem genieße!! Ein goldener Hinweis für alle Patienten : konzentriere Dich auf demjenigen, was Du kannst und liege nicht wach über dasjenige, was Du nicht mehr kannst! Es klingt vielleicht sonderbar, aber ich fühle mich glücklicher denn je...

Wie vertreibst Du dir die Zeit? Wie wichtig ist Dir deine Familie?

Ich tue alles was ich gerne mache, d.h. vor allem einen Film schauen, Gesellschaftsspiele, aber besonders mag ich zahlreiche soziale Kontakte. Freunde und Familie sind mir wichtig, aber diese sind nur für Dich da falls Du offen und ehrlich über Deine Krankheit redest. Du solltest dich nicht dahinter verstecken. Wenn Freunde nicht wissen, wovon sie reden sollen, verlierst Du sie. Meine Freunde wissen Bescheid, dass sie sich ohne Schüchternheit mit mir über jedes Thema unterhalten können, sogar über die Krankheit selbst. Menschen müssen sich selbst sein in Deiner Gegenwart, wenn nicht, drohst Du sie zu verlieren. 

Wie bist Du in Verbindung getreten mit der ALS Liga?

Ebenfalls durch das erhalten von Information. Eines Tages fuhr ich einfach dorthin um zu plaudern. Es erwies sich als sehr nützlich, lehrreich und ich erhielt viel Information hinsichtlich Anfragen, Unterstützung mit Hilfsmitteln usw. 

Jede Aktivität der Liga vertritt einen Mehrwert. Jeder macht was er will. Ich selbst z.B. spüre heute nicht das Bedürfnis, viele Kontakte zu anderen Patienten zu legen. Ich habe meine Geschichte, sie die ihrige. Es handelt sich nie um eine komische Geschichte und ich brauche sie mir nicht anzuhören. Demgegenüber steht, dass jeder Patient Kontakt zu mir aufnehmen darf bezüglich Fragen, Tips, Information. Gerne sogar!

Erwägst Du einen Kurzurlaub in Mittelpunkt zu buchen? Oder hast Du dies bereits gemacht?

Heute Abend verreise ich nach Teneriffa. Die dortige Hitze tut den Muskeln gut. Ich bin noch stark genug um ein Stückchen der Welt zu sehen und das lasse ich nicht los. Urlaub ist mir sehr wichtig. Im Moment gelingt mir noch alles, zwar mittels Unterstützung. Falls dies je zu schwierig sein Würde, bietet Mittelpunkt eine angenehme Lösung. Ich werde bestimmt nicht unterlassen, dort einmal hinzufahren, um meine Gedanken abzulenken. Aber das sollte noch ein wenig wegbleiben. 

Erweist sich der Kontakt zu Leidensgenossen als wertvoll?

Jeder Kontakt stellt einen Mehrwert dar. Du bist dir sicher, dass Du nicht allein dastehst.....

Möchtest Du andere Patienten im positiven Sinne beraten?

Ich kann es nicht genug wiederholen : konzentriere Dich auf demjenigen was Du imstande bist zu tun, verbringe keine schlaflose Nächte über dasjenige, was Dir nicht mehr vergönnt ist. Du kannst viel tun, Du musst nur wollen!!

Manchmal solltest Du es wagen, egoistisch zu sein. Tue nur dasjenige, woran Du Spaß hast. Du solltest jedoch nicht übertreiben, Familie und Freunde bleiben äußerst wichtig, jage sie also nicht in Harnisch durch das Durchsetzen Deines Willens. Ich bin bereits mit ihnen zusammengeprallt, sei also vorsichtig bei Deinem Ansatz. Aber doch, selbst wenn Du an etwas keinerlei Interesse hast, tue es dann nicht aus Höflichkeit. Damit erreichst Du gar nichts. Benutze Deine Zeit!

Gibt es noch etwas Besonderes, dass Du mitteilen möchtest?

End Dezember ist die Zeit der Weihnachtsmärkte. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal, zusammen mit einer Reihe von Menschen, betroffen von ALS, drei Weihnachtsmärkte sowie eine Feuerparty organisiert. Der Ertrag geht integral an die ALS Liga. Mit Stolz teile ich mit, dass diese Veranstaltungen rundherum 6.000 Euro nachgegeben haben. Da ich an eine langsame Form von ALS leide, hoffe ich noch viele Jahre diese Aktionen zu vertreten. Menschen die Information möchten, oder mit mir reden, erreichen mich am besten durch kvanreusel74@gmail.com.

Kris van Reusel auf Teneriffa

Ich möchte hiesigen Bericht besonders machen aus der Sicht eines ALS-Patienten. Zweck unserer Reise (meine Eltern, Katerina (meine Freundin) sowie mein Sohn Jasper) war um vor allem vorläufig die belgische Winterkälte aus dem Wege zu gehen. Die Wärme tat mir tatsächlich gut. Das schreiten verlief viel geschmeidiger und meine Muskeln fühlten viel besser an. Die Beschwerden der hiesigen Kälte, wie nickende Knie, Muskelkater, usw waren ganz kurz verschwunden. Wir hatten ein Haus gemietet, in dem alles sich im Erdgeschoß befand. Treppen fällen mir schwer, da brauchte ich mich keine Sorgen zu machen. Die Angst, die ich beim Hören über Teneriffa empfand, bestand daraus dass man das Gelände nicht gerade eben nennen kann. Auf ein paar Kilometer geht man vom Meeresspiegel bis nach 3.700 Metern, die Höhe des Teide, den höchsten Berg in Spanien. Dies erwies sich aber als nicht so schlecht. Das erste was mir auffiel : sehr viele Rollstuhlpatienten. Und wirklich : die Vorsorgen für behinderte Menschen erweisen sich als perfekt. Du kommst überall hin ohne Treppen zu machen. Fast jedes Catering-Unternehmen verfügt über eine Behindertengerechte Toilette und Du findest dort genug Parkplätze für Behinderte. Unsere Residenz befand sich in Costa Adeje, in der Nähe von Playa de las Americas und Los Christianos. Qua Wetter ebenfalls die beste Region. Wir haben viele Ausflüge unternommen, so dass ich behaupten darf, ich habe die ganze Insel gesehen. Oft war das Wetter an anderen Orten (sicher im Norden) viel weniger warm. Zusammenfassend, lass Dich als ALS-Patient nicht aufhalten, eine solche Reise zu unternehmen, Es betrifft eine schöne Insel, schönes Wetter, also gut für die Muskeln und besonders : das Leben ist dort nicht kostspielig. Für 15 Euro bekommt man eine sehr leckere Mahlzeit!

Weiter zur nächsten Reise!

Kris

 

Übersetzung: Eric Kisbulck

Quelle: Newsletter 163 - Januar, Februar, März 2014

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