Patrick Kim

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Während des Kontaktwochenendes im Pflegehotel Middelpunt haben wir Bekanntschaft mit einem jungen Mann aus dem fernen Birma machen können. Patrick wohnt in Antwerpen zusammen mit seiner Frau und seinen zwei noch jungen Kindern, Sing und Michael. Patrick ist ein zufriedener und gutgelaunter Mensch und seine Familie strotzt und strahlt vor Leben - Patrick selbst hat es dafür immer schwerer, um noch zu gehen und seine Arme zu bewegen. Auch das Sprechen geht mittlerweile sehr mühsam und seine Frau wird benötigt, um erzählen zu können was er sagen möchte.

Wie sind Sie hier in Belgien zurechtgekommen?

Ich bin vor etwa 11 Jahren als politischer Flüchtling aus Birma hierhergekommen. Zu dieser Zeit gab es eine Diktatur in Birma. Bruder und Schwester wohnen in den Vereinigten Staaten, meine Eltern noch immer in Birma. Ich war 23 Jahre alt als ich aus Birma floh, ich versuchte anfangs nach England zu gelangen, bin aber in Belgien mit dem Flugzeug gelandet. Der Asyldienst riet mir hier Asyl anzufragen, weil es schwer sein sollte, nach England zu kommen.

Fingen Sie dann an hier zu arbeiten?

Ich habe erst hier Asyl beantragt, weil man sich anders nicht frei bewegen kann. Es dauerte sechs Monate, um ein Interview zu bekommen, nach dem Interview folgt der Beschluss, dass man bleiben und einen Job suchen kann. Das war noch vor meiner Trauung, ich war hier ganz und gar alleine. Ich fing in einem Nachtladen an zu arbeiten, ging Äpfel ernten und habe noch in einem Restaurant gearbeitet. Das war zunächst in Brüssel, aber nach einem Jahr bin ich nach Antwerpen umgezogen. Ich habe ein Jahr für den OCMW gearbeitet, auch ein Jahr als Gelegenheitsarbeiter und später arbeitete ich in einem privaten Postbetrieb, in dem ich drei Jahre blieb arbeiten. Danach arbeitete ich in einem Tiefkühlhaus eines Logistikbetriebes. Das war auch mein letzter Job bevor ich die die Krankheit bekam.

Und wie ist die Krankheit begonnen? Was waren die ersten Symptome?

Das war vor zwei oder drei Jahren, es fing anfangs mit dem Sprechen an, ich bemerkte dass es schwieriger wurde. Und danach begann der Daumen womit ich den Gabelstapler bediente zu hadern. Wir gingen dann zum Doktor. Es war zunächst die linke Seite und dann etwas später, passierte dasselbe auf der rechten Seite. Der Doktor hat uns dann weiter durchgeschickt und so wurde ALS festgestellt.

Kannten Sie ALS? Wie fühlten Sie sich, als Sie die Diagnose erhielten?

Nein, wir kannten ALS ganz und gar nicht, sie haben uns dort damals aufklären müssen. Wir waren inzwischen verheiratet und beide Kinder waren auch bereits gezeugt. Ja, es ist nicht schön, dies zu hören, aber man muss es so nehmen, wie es ist. Du musst es akzeptieren, aber Du musst stark sein. Seit Juni habe ich den Rollstuhl. Kurz davor war ich 4 Monate lang in Birma gewesen, bei der Familie und als ich anschließend zurück kam, da konnte eigentlich kaum noch laufen. Wir wohnen in einem Appartement auf dem vierten Stockwerk, doch glücklicherweise gibt es einen Lift.

Wie kriegt Ihre Frau das alles geregelt?

Ich machte mir und mache mir jetzt noch manchmal große Sorgen, als ich ihn alleine lassen muss, einen ganzen Tag, um zur Arbeit zu gehen. Ich bringe die Kinder um 7 Uhr zur Schule und fange um 8 Uhr zu arbeiten an. Um die Mittagszeit herum kann ich dann zu meiner Mittagspause Patrick zu Hause besuchen. Ich setze immer Gläser Wasser und eine Schüssel Essen bereit, und auch eine Schüssel, für den Fall dass er Pinkeln muss.

Ich habe vor mit der Arbeit zu stoppen und vom PAB Gebrauch zu machen, so dass ich mich für Patrick besser kümmern kann. Weil früher konnte ich noch das Wasser einfach auf den Tisch stellen und er konnte es wohl noch trinken, in der letzten Zeit jedoch gelingt das immer weniger und es fallen auch manchmal Gläser auf den Boden.

Ich habe an zwei Nachmittagen jemanden, der zum Helfen ins Haus kommt, ich muss jedoch einige Dinge selber tun, denn er möchte nicht, dass ihn jemand anders wäscht und dergleichen.

Können Sie jetzt inzwischen die Krankheit akzeptieren?

Am Anfang war ich verärgert, als ich etwas nicht mehr konnte, oder als ich etwas fallen ließ. Aber inzwischen bin ich da sehr viel entspannter bei der Sache und auch die Frustration, die ich am Anfang hatte ist beinahe verschwunden. Ich lebe Tag für Tag und denke lieber nicht zu viel nach, auch nicht über die Zukunft.

Ihre Kinder sind überaus lebendig merke ich hier, ein großer Kontrast zu Ihnen selber in diesem Moment, ist das manchmal schwer für Sie, dass Sie nicht wirklich mit ihnen spielen können, wie Sie es früher hätten gekonnt?

Manchmal möchte ich auch selber spielen, aber so, wie vor Kurzem, bin ich aus dem Stuhl gefallen. Meine Frau sagt mir dann schon, dass ich nicht spielen soll aber ich kann es nicht lassen, weil es für mich auch wichtig ist, um den Kontakt (zu den Kindern) zu haben.

Die Kinder sind noch klein, werden denen die Umstände bewusst?

Beim Jüngsten nicht, Aber der Älteste weiß wohl, dass sein Vater krank ist. Es bemerkt, dass da etwas nicht normal ist. Meine Frau sagt ihm ständig, um vorsichtig zu sein. Als er im Badezimmer ist, dann ruft er immer meine Frau. Er hat mehr Angst, dass Papa fällt als wir selbst.

Langweilen Sie sich manchmal nicht? Schauen Sie Fernsehen?

Ja, den ganzen Tag! Ich nehme sehr viele Sendungen auf, die ich dann über Tag mir ansehe, so wie Dokumentarfilme vom BBC und National Geographic, Animal Planet und selbstverständlich viele Filme.

Sie sehen hier viel Menschen mit einem elektrischem Rollstuhl, die sich so mobiler und freier bewegen können. Ist das ein positiver Gedanken für Sie, so etwas tun zu können?

Ja, sicher. Aber wo wir zur Zeit wohnen gibt es Treppen und da kann der Rollstuhl nicht richtig eingesetzt werden. Vielleicht wenn wir umziehen, dann würde ich sehr gerne davon Gebrauch machen wollen und nur noch hinausgehen. Wir haben auf jedem Fall bereits einen Antrag gestellt, weil sich die Krankheit bei mir schnell entwickelt und weil der Antrag doch einige Zeit in Anspruch nimmt. So konnte er noch vor drei Monaten selbst essen, während man ihm jetzt essen geben muss.

Gingen Sie zurück nach Birma, um wieder Ihren Geburtsort zu sehen?

Ich bin nach Birma gegangen, weil man dort viel alternative Therapien benutzt, wie Massage und Vergleichbares, und wollte das ausprobieren. Aber viel geholfen hat es nicht.

Haben Sie es Ihren Eltern erzählt?

Ja, Ich habe es ihnen erzählt. Früher war ich sehr sportlich und spielte jeden Tag Fußball. Das macht es für Sie sehr schwierig, um zu begreifen und zu akzeptieren, dass ich hier jetzt so sitze.

Wie ist es, in Birma ALS zu haben?

Schrecklich, es gibt keine soziale Krankenversicherung und man muss alles selber bezahlen können. Ich bin dann auch froh, dass ich jetzt hier in Belgien bin, es gibt ein Phantastisches Pflegesystem hier. Ich bin froh, dass ich in der Vergangenheit nicht nach England durchgereist bin.

Wie fühlen Sie sich bei der #ALSIceBucket-Challenge? Haben Sie viel Reaktion gehabt in Ihrer Umgebung?

Ja, enorm, bei der Arbeit meiner Frau zum Beispiel, gab es viel Menschen, die uns Nachrichten über Soziale Medien geschickt haben und dergleichen. Wir hoffen, dass bald es uns oder anderen Patienten zu Gute kommen kann.

Sie sind aus Birma, sind Sie selbst buddhistisch?

Nein, ich bin Katholik. Mein Glauben hilft mir wohl, um die Krankheit zu akzeptieren, vielleicht kommt es auch dadurch, weil die Kultur in Birma mehr fügend ist, ist es auch einfacher, um zu akzeptieren was mich überfällt, aber ich muss zugeben, dass es doch arg schwer war und dass es dies immer noch ist.

 

 

Quelle: ALS Liga-magazine 167 – Januar, Februar, März 2015

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