Rudy Verniers

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“Mein Leben, mein Streit”

Im Laufe des Kontaktwochenendes der ALS Liga in Middelpunt im September hatten wir auch ein Interview mit Rudy Verniers und seine Ehefrau Annie. Wir lassen sie jetzt zu Wort kommen. 

Wann und wie wurde bei Dir ALS diagnostiziert?

Das war im September 2011, ungefähr vor 2 Jahren. Zuvor blieb ich ungefähr ein  Jahr in der Schwebe in einem anderen Krankenhaus in dem man weitere Teste machte. Letztendlich wurde ich nach Leuven verwiesen und dort wurde nach einer einmaligen Prüfung ALS diagnostiziert. Ich hatte selbst den Verdacht, meine Ehefrau hatte nach Symptomen von u.a. ALS Ausschau gehalten, und dies entsprach ziemlich gut  meinen Symptomen. 

Ich hatte Schwierigkeiten, meine Hand und meine Finger zu bewegen, das schreiten gelang mir immer weniger, ab und zu stolperte ich. Mein Bein geriet manchmal ins Stocken. Damals hatte ich schon bis zu zweimal ein CVA (ein Schlaganfall im Gehirn) erlitten, beim ersten Mal waren meine Mundwinkel gelähmt, beim zweiten Mal war mein linkes Bein leicht gelähmt. 

Als Du erfuhrst dass Du an ALS littest, wie hast Du das erfahren, kanntest Du die Krankheit bereits? 

Das traf hart, es war ein Schlag. Damals waren wir gerade ein Jahr verheiratet. Meine Ehefrau ist eine Thailänderin und hatte kurz zuvor alles dort gelassen, ihr Job, ihre Familie. Und sie hatte sich das Leben anders vorgestellt. Damals konnte ich mit niemandem darüber sprechen, ich habe alles unterdrückt. Inzwischen habe ich das ganze verarbeitet und akzeptiert. Gespräche mit einem Psychologen haben mir dabei sehr geholfen. 

Was ist am nervigsten an der Krankheit ALS? 

Am nervigsten ist dass man für alles von jemand anderem abhängig ist. Man muss um alles beten, sogar das mindeste, ich kann z.B. keine Dose Cola öffnen, oder mein Bein bewegen. Ich fühle mich hilflos und eine Art Belastung für alle. Ich habe auch etwas dagegen dass ich das meiner jungen Frau antun soll. Ich fühle mich irgendwie schuldig dass ich eine Belastung für andere sein sollte. 

Was macht dir Mut? 

Zur Zeit bin ich ziemlich glücklich dass ich jetzt über einen elektrischen Rollstuhl verfüge. Dank diesen kann ich frei bewegen. Zuerst besaß ich einen normalen Rollstuhl, aber das verlief nicht so erfolgreich, das rein und raus gelang nicht ohne Probleme, nein, dann war ich daheim am Sessel gefesselt und kam kaum heraus. Dank des elektrischen Rollstuhls hat sich die Lage vollkommen geändert, ich fühle mich infolgedessen viel besser, begegne mehr Leute und empfang zuhause. Dies hat mein Qualitätsleben erheblich verbessert.

Hat sich viel geändert in deinem Leben, deiner Arbeit, deine Hobbys nachdem du ALS diagnostiziert wurdest? 

Ich habe mich immer um die Informatik bei Electrabel gekümmert. Ich war sehr beschäftigt und war oft gestresst, sogar in der Nacht und konnte demzufolge wenig schlafen. Als ich ALS diagnostiziert wurde. war ich bereits behindert wegen einem zweiten CVA in 2006. Fußball war mein Hobby, eine Leidenschaft. Ich verfolge es im Moment im Fernsehen, aber begebe mich nicht mehr dorthin. Ich kenne dort viele Leute, seit ich zwölf war, bin ich nach KV Mechelen gegangen. Gerade weil ich jeden dort kenne gehe ich nicht mehr hin seitdem ich an ALS leide, weil ich die Fragen und Blicke von anderen vermeiden möchte, das fällt mir zu schwer. 

Findest Du den Kontakt mit Leidensgenossen wertvoll? 

Es stellt sich als lehrreich heraus, da man viel voneinander lernen kann infolge den gegenseitigen Erfahrungen. Hier erhielt ich viele Tipps, z.B. hinsichtlich PAB-Assistenzsysteme. Jetzt sind nur ALS-Patienten zugegen, das beruhigt einem. Es ist auch interessant zu sehen welche Art und Marke Rollstuhl andere haben, und welche Möglichkeiten bestehen, der Komfort. 

Wie hast du dich bei der ALS Liga gemeldet? Wie sind deine Erfahrungen? 

Durch das UZ Leuven. Es ist sehr interessant, ich war z.B. gegen PAB, der ganze Papierkram, aber die ALS Liga hat mich davon überzeugt, es trotzdem anzufordern um meine Lebensqualität wieder zu optimieren. Ich finde es phantastisch was man macht im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchungen. Womöglich werde ich dies nicht mehr erleben aber trotzdem ist es wichtig dass es passiert.

Würdest du berücksichtigen, einen kurzen Urlaub in Middelpunt zu buchen?

Nun, wir waren bereits da im August für zehn Tage. Wir hatten ein Flyer von Middelpunt gesehen im UZ Leuven und haben dann schnell gebucht. Ich war immer gerne am Meer, es ist hier in der Nähe vom Deich, das ist nicht schlecht. Im Grunde genommen ist es hier fabelhaft... 

Was hältst du von der Zukunft? 

Ich schaue jetzt positiver in die Zukunft als früher weil ich erneut mobiler bin mit dem elektrischen Rollstuhl. Vorher lag ich ganze Tage nur im Bett und habe nur ferngesehen. Jetzt empfang ich zweimal pro Woche Freunde, wir können einkaufen und nach draußen gehen und auch wieder verreisen. Die erste Reise erfolgte hier im August. Wir haben Leute angesprochen die in Tenerife waren und uns erzählten dass es dort gut angepasst war. Ich war bereits einige Male dort und wir möchten nochmals gerne hinfahren. Ich mag die Flugreise nicht  sowie das ganze Ding mit dem ein- und aussteigen vom Flugzeug. 

Wie wichtig ist dir die Familie? 

Ziemlich. Ich habe fast keine Familie mehr, mein Vater ist verstorben, nur meine Mutter und Schwester leben noch. Meine Frau ist mir jetzt am wichtigsten.

Warst du in der Vergangenheit religiös? Bist du mehr damit beschäftigt als zuvor?

Ja, ich wurde religiös erzogen. Jetzt sogar mehr als vorher, ich über nicht, aber in mir bin ich es bestimmt. Demzufolge fürchte ich nicht den Tod. Ich habe überhaupt keine Angst vor dem Sterben, weil ich glaube, dass es danach oben etwas Schönes geben wird.

Hast du einen eigenen Slogan oder ein eigenes Motto?

“My Life, my fight” “Mein Leben, mein Streit”

 

Übersetzung: Eric Kisbulck

Quelle: Newsletter 162 – Oktober, November, Dezember 2013

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