Den Umgang mit Menschen mit ALS erlernen
Im Folgenden werden dem Pfleger einige Tipps angeboten, um den Stress zu vermindern, der bei der Pflege von Menschen mit einer progressiven Krankheit wie ALS häufig auftritt.
Verarbeitung
Ein normaler Krisenverarbeitungsprozess besteht aus 7 Phasen:
- Unwissenheit
- Unsicherheit,
- Leugnung,
- Protest,
- Herunterhandeln,
- Depression,
- Akzeptanz- / Verarbeitungsprozess.
Diese Phasen können weder vom Patienten noch vom Pfleger geleugnet werden.
Für die optimale Ausrichtung der Hilfe ist zunächst eine gute psychologische Analyse wichtig, um die Persönlichkeit des Patienten kennenzulernen und zu erfahren, wie er oder sie bereits vertraut ist, mit Krisen umzugehen und um die Phase zu erkennen, in der sich der Patient und der Partner gerade befinden.
Besondere Schwerpunkte sind:
- antizipierende Begleitung anbieten,
- Unterstützung der bereits vorhandenen Verarbeitungsmechanismen des Patienten,
- den Patienten beim Äußern von Gefühlen unterstützen, wenn er oder sie dazu bereit ist,
- den Patienten stimulieren, weiterhin so normal wie möglich essen zu können,
- die Quellen vorhandener Unterstützung des Patienten im Auge halten und ihn oder sie mit einzubeziehen,
- für eine emotional offene Kommunikation zwischen dem Patienten und seiner Umgebung sorgen,
- einen abnormal verlaufenden Krisenverarbeitungsprozess melden.
Verarbeitung hängt genauso wie vieles andere im Leben von vielen verschiedenen Faktoren ab. Wie gefestigt steht jemand im Leben bezüglich der momentanen Lebenssituation, wie sehen seine früher gemachten Lebenserfahrungen aus, wie hoch ist sein Lebensalter?
Das besondere bei einer Krankheit wie ALS ist, dass der Patient unter einem permanenten Verlust von Fähigkeiten in einer relativ kurzen Periode leidet.
Gleichzeitig ist ALS eine Krankheit, wogegen der Patient nur in sehr eingeschränktem Maße ankämpfen kann.
Sowohl der ALS-Patient als auch die Menschen in seiner Umgebung sind andauernd konfrontiert mit dem Verarbeiten von:
- dem Verlust körperlicher Funktionen
- der Einbuße an Selbstständigkeit, bzw. immer abhängiger von der Hilfe anderer zu werden
- nicht mehr arbeiten zu können
- Umzug, neuer Wohnumgebung, Nachbarn,…
- einer Verschlechterung der finanziellen Situation
- dem Umgang mit technischen Hilfsmitteln
- dem Annehmen der Hilfe von anderen
Lerne über die Krankheit und über die Pflege und gib dein Wissen weiter an andere!
Als Pfleger ist es wichtig, genau über alles eingeweiht zu sein, was ALS beinhaltet und wie man Menschen mit ALS optimal betreuen kann. Durch die Kenntnisse darüber, wie die Krankheit das Leben des Patienten beeinflussen kann, gelingt es in der Regel, den Betroffenen besser zu verstehen und sich immer wieder an Veränderungen anzupassen. Es ist wichtig, Erfahrungen und Kenntnisse an die Familie und an Freunde weiterzugeben. So wird es auch für Sie leichter, die Situation zu verstehen, sich in die Lage des Patienten zu versetzen und geeignete Unterstützung zu leisten.
Seien Sie realistisch, was die Krankheit angeht:
Auch wenn es schwer fällt, es ist wichtig, eine realistische Einstellung zu ALS und dessen Folgen zu haben. ALS ist eine progressive Krankheit. Die Person, die gepflegt wird, wird körperlich immer schwächer werden. Wenn Sie realistisch sind, wird es einfacher, Ihre Erwartungen an die Tatsachen anzupassen.
Realistisch in Bezug auf sich selbst sein:
Es ist wichtig, dass Sie realisieren, dass die Pflege von jemandem Energie und Zeit in Anspruch nimmt. Zweifelsohne werden Sie die Grenzen Ihrer Möglichkeiten erkennen. Sie selbst müssen dann entscheiden, was für Sie das Wichtigste ist.
Was finden Sie am wichtigsten: die Zeit mit der Person, die Sie pflegen, die Zeit für sich selbst oder ein gepflegtes Haus? Darauf gibt es keine richtige Antwort. Nur Sie wissen, was für Sie selbst am wichtigsten ist in einem gegebenen Moment.
Neben dem Treffen von wichtigen Entscheidungen werden Sie zweifellos auch Grenzen setzen müssen, was Sie an einem Tag erledigen können. Es kann schwer fallen zuzugeben, dass Sie nicht alles tun können. Es ist nicht einfach, „nein“ zu sagen. Seien Sie realistisch und denken Sie ruhig und sorgfältig darüber nach, was und wieviel Sie tun können und auf welcher Ebene Sie Hilfe benötigen. Eine Person mit ALS benötigt viel Pflege und es ist keineswegs minderwertig, selbst nach Hilfe zu fragen.
Akzeptieren sie Ihre Gefühle
Wann immer Sie auch Pflege an jemanden ausrichten, Sie werden sich widersprechende Gefühle wahrnehmen. An ein und demselben Tag kann man sich zufrieden, verärgert, schuldig, fröhlich, beschämt, verängstigt und hilflos fühlen. Diese Gefühle können verwirrend sein und es kann schwierig sein, mit ihnen umzugehen. Diese sind weder gut noch schlecht – sie sind normal. Negative Gefühle wahrzunehmen bedeutet nicht, dass Sie ein weniger guter Pfleger sind. Sie weisen nur darauf hin, dass auch Sie nur ein Mensch sind. Behalten Sie stets im Hinterkopf, dass Sie niemals mehr als Ihr Bestes geben können.
Teilen sie Ihre Gefühle mit anderen
Es ist wichtig, dass Sie Ihre Gefühle mit anderen teilen. Suchen Sie sich jemanden aus, mit dem Sie sich gut verstehen und sprechen Sie mit dieser Person darüber, was Sie fühlen und worüber Sie sich Sorgen machen. Diese Person kann ein guter Freund, ein Familienangehöriger, jemand den Sie durch die ALS-Liga kennen, ein Mitglied der Kirchengemeinde oder ein professioneller Pfleger (Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter, Krankenpfleger,…) sein. Das Teilen von Gefühlen, vor allem mit einer professionellen Person aus dem Pflegedienst, kann Ihnen helfen, Ihre Gefühle zu begreifen und Ihnen helfen, dass manch negative Gefühle Ihre Rolle als Pfleger nicht unterwandern.
Versuchen Sie, positive Dinge wahrzunehmen
Ihre Haltung bestimmt in großem Maße, wie Sie sich fühlen. Versuchen Sie, das Leben so oft wie möglich von seiner positiven Seite zu sehen. Suchen Sie nach Möglichkeiten, wodurch die Person mit ALS körperlich und intellektuell beschäftigt bleiben kann. Versuchen Sie, aus jedem Tag etwas zu machen. Sorgen Sie dafür, dass es besondere Momente gibt oder Momente für die sich die Mühe des Tages lohnt.
Für sich selbst Sorge tragen.
Ihre eigene Gesundheit ist wichtig. Verlieren Sie diese nicht aus den Augen. Sorgen Sie für gesunde und ordentliche Mahlzeiten und für ausreichend Bewegung. Suchen Sie Möglichkeiten, sich zu entspannen und sorgen Sie dafür, dass Sie ausreichend schlafen. Lassen Sie Ihre Gesundheit regelmäßig durch einen Arzt kontrollieren. Eine gute Gesundheit und ausreichende Ruhe werden Ihnen helfen, besser mit Stress umzugehen und eine gute Pflege zu leisten.
Versuchen Sie, ab und zu auszugehen und zwischendurch Ihren eigenen Interessen nachzugehen. Warten Sie vor allem nicht, bis Sie selbst aufgebraucht sind, um etwas zu unternehmen. Machen Sie Zeit frei für Dinge, die Sie wichtig finden. Dies wird Ihnen die nötige Kraft geben und es wird dafür sorgen, dass Sie sich nicht alleine und isoliert fühlen.
Versuchen Sie, den Humor in bestimmten Situationen zu bewahren
ALS ist eine ernste Krankheit, aber Sie müssen sich selbst nicht immer ernst nehmen. Humor in verschiedenen Situationen zu haben, bedeutet nicht, dass Sie die Pflege des Patienten nicht ernst nehmen.
Suchen sie Hilfe auf
Teilen Sie Ihre Gedanken anderen Menschen mit, denn Sie haben deren Hilfe nötig. Versuchen Sie eine Formel zu finden, mit der Sie ein gutes Gefühl haben; Vielleicht finden Sie es leichter, mit einem Freund oder Familienmitglied zu sprechen, vielleicht entscheiden Sie sich für jemanden von der ALS-Liga oder eventuell sprechen Sie lieber mit einem professionellen Pflegeleistenden.
Es kann einem schwer fallen, um Hilfe nachzufragen und/oder diese anzunehmen. Beachten Sie aber, dass, um Hilfe zu bitten, nicht bedeutet, dass Sie schlechte Pflege leisten. Sie müssen begreifen, dass niemand imstande ist, einen Menschen mit ALS ganz alleine versorgen zu können. Fragen sie Familienmitglieder und Freunde um Hilfe. Die meisten Menschen werden froh darüber sein, Sie unterstützen zu können. Denken Sie darüber nach, wobei Sie Hilfe benötigen und lassen Sie es Ihre Mitmenschen wissen.
Machen Sie Pläne für die Zukunft
Zukunftspläne machen hilft, Stress zu vermeiden. Besprechen Sie - wann immer die Person mit ALS es zulässt – seine finanzielle Situation und machen Sie konkrete Absprachen. Besprechen Sie Entscheidungen und Beschlüsse, die in der Zukunft gemacht werden müssen. Besprechen Sie auch mögliche alternative Lösungen in Bezug auf Verpflegung für den Zeitpunkt, an dem Sie nicht mehr imstande sind selbst diese auf sich zu nehmen.